Es gibt auch zu viel Freizeit
US-Studie: Das Wohlbefinden sinkt, wenn die Freiräume zu groß sind oder die Zeit unproduktiv genutzt wird.
Wenn ihr gerade vor Stress weder ein noch aus wisst und euch danach sehnt, endlich mal nichts zu tun und die Seele baumeln zu lassen, dann kommen euch diese Forschungsergebnisse vielleicht seltsam vor: zu viel Freizeit kann sich genauso schlecht anfühlen wie zu wenig. Das sagt ein Forschungsteam um Marissa Sharif von der University of Pennsylvania in einer aktuellen Studie.
Dass zu wenig Freizeit das Wohlbefinden beeinträchtigt, leuchtet sicher jedem ein, aber offenbar gibt es nicht nur negative Auswirkungen durch zu viel Stress, sondern auch durch zu viel Freizeit. Eine Analyse von Daten von 21.736 Amerikaner_innen, die zwischen 2012 und an einer großen amerikanischen Befragung teilnahmen, legt das nahe. Die Teilnehmer_innen gaben darin detailliert an, was sie in den vorangegangenen 24 Stunden getan haben - mit Angabe der Tageszeit und der Dauer der jeweiligen Aktivität - und berichteten über ihr Wohlbefinden. Die Forscher_innen fanden heraus, dass das Wohlbefinden mit zunehmender Freizeit anstieg, sich jedoch bei etwa zwei Stunden einpendelte und nach fünf Stunden zu sinken begann.
Die Forscher_innen nahmen außerdem Daten von 13.639 berufstätigen Amerikaner_innen unter die Lupe, die zwischen 1992 und 2008 an einer Studie zum Arbeitsleben teilgenommen hatten. Im Rahmen der Umfrage wurden die Teilnehmer_innen unter anderem zu ihrer Freizeit befragt - etwa wie viel Zeit sie täglich mit eigener Freizeitgestaltung verbrachten - und zu ihrem subjektiven Wohlbefinden bzw. ihrer Lebenszufriedenheit.
Hier zeigt sich ein ähnliches Ergebnis: Das Wohlbefinden stieg mit der Freizeit, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt.
In eigenen Online-Experimenten mit mehr als 6.000 Teilnehmern überprüfte das Team das Phänomen. Darin sollten die Teilnehmenden sich vorstellen, wie sie mit unterschiedlich viel Freizeit (15 Minuten, 3,5 Stunden oder 7 Stunden täglich) umgehen würden und wie sich das auf ihre Freude und ihre Zufriedenheit auswirken würde. In einem zweiten Experiment sollten sie die Produktivität bewerten, mit der sie ihre Freizeit in entweder 3,5 oder 7 Stunden ausfüllen würden – also ob sie eher Hobbys oder Sport oder unproduktiven Tätigkeiten wie Fernsehen oder Computer nachgehen würden. Bei den Experimenten kam heraus, dass Testpersonen mit zu wenig Freizeit mit Stress und einem verringerten Wohlbefinden rechneten, aber sich bei der Vorstellung von zu viel Freizeit weniger produktiv fühlten als die Teilnehmenden der gemäßigten Gruppe. Wenn sie gedanklich viel Freizeit mit unproduktiven Tätigkeiten verbrachten, sank außerdem das Wohlbefinden. Nur wenn die viele Freizeit mit produktiven Tätigkeiten ausgefüllt wurde, fühlten sich die Testpersonen ähnlich gut wie solche, die nur mäßig Freizeit zur Verfügung hatten.
Sharif erläutert: "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass man ähnlich unglücklich sein kann, wenn man ganze Tage zur freien Verfügung hat, die man nach eigenem Ermessen füllen kann. Die Menschen sollten stattdessen danach streben, eine moderate Menge an freier Zeit zu haben, die sie nach eigenem Gutdünken verbringen können. In Fällen, in denen Menschen übermäßig viel freie Zeit zur Verfügung haben, wie z. B. im Ruhestand oder nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass diese Personen davon profitieren würden, ihre neu gewonnene Zeit sinnvoll zu nutzen.
Wenn bei euch also große Ferien oder lange Zeiten ohne Aufgaben anstehen, dann macht euch klar, dass ewiges Serienglotzen und tagelanges Rumgammeln auch nicht glücklich machen. Nehmt euch etwas vor, das euch erfüllt oder erledigt schon mal die Dinge, die euch in Zeiten mit weniger Freizeit mehr Freiräume ermöglichen.
Die Ergebnisse der Studie sind im Fachmagazin Journal of Personality and Social Psychology erschienen.
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung