Gleiche Geschichte, gleicher Takt
Experiment: Die Herzrate von Menschen synchronisiert sich, wenn sie einer Geschichte lauschen - vorausgesetzt, sie verarbeiten die Informationen bewusst
Wie schnell unser Herz schlägt, hängt auch davon ab, welche Informationen wir gerade erhalten und verarbeiten. Körperliche Anstrengung lässt unser Herz schneller schlagen, aber schon der Gedanke an Bewegung genügt, um es in Wallung zu bringen. Im Gegenzug lässt sich das Herz durch Meditation zu einem langsameren Rhythmus bewegen. Das zeigt, wie groß die Rolle ist, die mentale Prozesse auf unseren Körperrhythmus haben. Ein internationales Forschungsteam wollte nun herausfinden, ob sich durch bestimmte Reize, in diesem Fall eine Geschichte, der Herzschlag einer Gruppe synchronisieren, also in einen Gleichklang bringen lässt. Dieses Phänomen der gleich schlagenden Herzen beim Musizieren oder bei Konzerten ist bereits bekannt, so weiß man beispielsweise, dass sich auch der Herzschlag von Chorsänger_innen beim Singen synchronisiert.
In der aktuellen Studie wurde in Zusammenarbeit mit britischen und amerikanischen Teams überprüft, wie sich das Hören einer Geschichte auf den Herzschlag in einer Gruppe auswirkt und welche Rolle das Bewusstsein, also die bewusste Verarbeitung der Information, dabei spielt.
*Geschichten mit Herzschlagmessung*
Vier Gruppen von Testpersonen wurde auf unterschiedliche Weise eine Geschichte präsentiert. Dabei wurde ihr Herzschlag mit einem EKG erfasst, in einigen Gruppen wurde zusätzlich die Atemfrequenz gemessen. Eine Gruppe lauschte einem Ausschnitt aus Jule Vernes 20.000 Meilen unter dem Meer, während der Herzschlag gemessen wurde.
Eine zweite Gruppe sah ein Video – teilweise mit gleichzeitiger Ablenkung durch eine Aufgabe (rückwärts zählen), teilweise ohne Ablenkung.
Eine dritte Gruppe bekam eine Audioversion der gleichen Geschichte präsentiert wie die Videogruppe. Auch hier wurden Teile der Gruppe abgelenkt und alle mussten am Schluss einen Fragebogen zu der Geschichte ausfüllen.
Die vierte Gruppe bestand aus Testpersonen mit beeinträchtigtem Bewusstsein.
*Gleichklang ohne Ablenkung*
Es kam heraus, dass sich die Herzschläge der Gruppen sowohl bei der Nur-Audio-Version als auch beim Schauen des Videos synchronisierten und der Herzschlag an den gleichen Stellen der Geschichte stieg oder sank. Dies gelang vor allem dann, wenn Testpersonen nicht abgelenkt waren und sie der Geschichte aufmerksam lauschten. Wer im Fragebogen zeigte, dass er der Geschichte besonders gut gefolgt war, zeigte auch eine gute Synchronisierung mit den anderen. Bei Menschen, die sehr abgelenkt waren oder solchen mit beinträchtigem Bewusstsein klappte dies allerdings nicht so gut.
Die Atemfrequenz hatte hingegen keinen Einfluss auf den Gleichklang der Herzen.
Den Forscher_innen zufolge bestätigen ihre Ergebnisse ihre These, dass die bewusste Verarbeitung bestimmter Reize (audio oder audiovisuell) die Herzrate mit der von anderen Personen synchronisiert, die demselben Reiz ausgesetzt sind – vorausgesetzt, die Verarbeitung des Reizes geschieht bei vollem Bewusstsein und ohne Ablenkung. Die Forscher_innen glauben, dass dieser Test auch Aufschlüsse darüber geben könne, ob Menschen mit Bewusstseinsstörungen (z.B. Wachkomapatient_innen) möglicherweise noch „da“ sind und ob sich ihr Bewusstsein wiederherstellen lassen könnte. Patient_innen, deren Herzschlag sich hier mit anderen synchronisierte, hätten demnach eine größere Chance, dass ihr Bewusstsein zurückkehrt.
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