Belästigung am Arbeitsplatz
Studie der Uni Oxford: Geschlechtsspezifisch diskriminierende Arbeitsbedingungen tragen zur Ungleichheit im Job bei
Trotz erheblicher Anstrengungen, Arbeitsplätze genderneutral auszuschreiben und "Männer-" sowie "Frauenberufe" aus dem modernen Vokabular zu streichen, besteht immer noch eine große Kluft zwischen männlich und weiblich dominierten Arbeitswelten. Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass diese Trennung sogar 15 bis 20 % des geschlechtsspezifischen Lohngefälles erklären könnte. Oft wird als Ursache dafür das mangelnde Interesse von Mädchen und Frauen an MINT-Berufen und umkehrt das Desinteresse von Jungs und Männern an sozialen Berufen herangezogen. Forscher_innen der Oxford University untersuchten nun aber einen anderen, nicht zu unterschätzenden Faktor: sexuelle Belästigung. Sie untersuchten, wie geschlechtsspezifisch diskriminierende Arbeitsbedingungen zu dieser Ungleichheit beitragen. Anhand von Daten aus der alle zwei Jahre durchgeführten schwedischen Erhebung über das Arbeitsumfeld zeigt die Studie, dass das Belästigungsrisiko für Frauen und Männer mit dem Anteil der Personen anderen Geschlechts an ihrem Arbeitsplatz steigt. Die Wahrscheinlichkeit, sexuell belästigt zu werden, ist für Frauen dabei etwa dreimal so hoch wie für Männer. An den am stärksten von Männern dominierten Arbeitsplätzen ist sie sogar fast sechsmal so hoch wie für Männer. Männer, die in von Frauen dominierten Arbeitsbereichen tätig sind, werden zwar auch diskriminiert, aber nur fast doppelt so oft wie Frauen in dem Umfeld.
*Abneigung gegen Diskriminierung*
Die Studie maß anhand eines Umfrageexperiments, wie hoch die Abneigung von Arbeitnehmer_innen war, eine Stelle anzutreten, von der sie wussten, dass es an dem Arbeitsplatz zu einem Vorfall von sexueller Belästigung gekommen war. Sowohl Frauen als auch Männer hatten eine starke Abneigung gegen Arbeitsplätze an solchen Orten, aber ihre Abneigung war dreimal so groß, wenn das Belästigungsopfer das gleiche Geschlecht hatte wie sie selbst. Diese Ergebnisse deuten laut den Studienautor_innen darauf hin, dass die Belästigung Frauen davon abhält, Arbeitsplätze in männerdominierten Branchen anzunehmen, in denen hauptsächlich Frauen belästigt werden. Und Männer ebenfalls nicht gerne dort arbeiten würden, wo ihr eigenes Geschlecht belästigt würde. Könnte es dann nicht eine Lösung sein, wenn die Geschlechter unter sich blieben? Das Problem dabei ist:
Arbeitsplätze mit einem höheren Anteil an Männern werden besser bezahlt. Ein Arbeitsplatz mit mehr als 80 % Männern bietet für die gleiche Arbeit einen 9 % höheren Lohn als ein Arbeitsplatz mit 80 % weiblichen Beschäftigten.
*Jobwechsel*
Aber was ist, wenn die Belästigungsopfer einfach ihre Stelle wechseln? Die Forscher_innen fanden heraus, dass ein solcher Arbeitsplatzwechsel wieder zu einer Ungleichbehandlung der Geschlechter führt. Frauen, die über sexuelle Belästigung berichtet hatten, wechselten in den drei Jahren nach der Erfahrung mit 25 % höherer Wahrscheinlichkeit den Job als ihre Kolleg_innen. Bei Männern mit ähnlichen Erfahrungen lag die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihren Arbeitsplatz wechselten, nur um 15 Prozent höher. Außerdem ergab die Studie, dass Frauen dann mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz in einem Unternehmen mit einem geringeren Männeranteil und einem niedrigeren Lohn annahmen.
"Sexuelle Belästigung hält Frauen nicht nur davon ab, in von Männern dominierten Branchen zu arbeiten, sondern hält sie auch von den am besten zahlenden Arbeitgebern auf dem Arbeitsmarkt fern", sagte Johanna Rickne, eine der Autorinnen der Studie. "Auf diese Weise trägt sexuelle Belästigung zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle bei."
Die Studie wurde im Quarterly Journal of Economics, herausgegeben von der Oxford University Press veröffentlicht.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung