Interview: Medien-Informatikerin

*Simone Strippgen* ist Professorin für Computeranimation an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden. In ihren Vorlesungen und Praktika lernen die StudentInnen Computeranimationen und Videoclips zu erstellen sowie virtuelle Welten zu programmieren.

*Was bist du von Beruf?*
Professorin für Computeranimation im Studiengang Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden.

*Wann und wie geht es morgens bei dir los?*
Während des Semesters kann es vorkommen, dass mein Tag bereits um 7.30 mit einer Lehrveranstaltung beginnt. Während der vorlesungsfreien Zeit und an Tagen ohne derartig frühe Veranstaltungen kann ich selber entscheiden, wann ich anfange. Das ist dann meist so gegen 10 Uhr morgens.

*Wie sieht ein typischer Arbeitstag von dir weiterhin aus?*
Wenn ich am Morgen komme, erledige ich erst einmal die Post und Emails. Als Professorin bin ich an der Selbstverwaltung der Hochschule beteiligt, da gibt es eine ganze Menge Papierkram abzuwickeln. Tagsüber stehen Vorlesungen und Praktika an. Meine Unterlagen dazu schaue ich mir kurz vorher noch einmal an. Ich will ja keinen Blödsinn erzählen. Ansonsten sind Veranstaltungen und Praktika nebst begleitenden Skripten und Lehrmaterial zu erstellen, Diplomarbeiten zu betreuen und zu korrigieren und manch langweilige, teilweise aber auch sehr aufbrausende Sitzung zu besuchen. In der vorlesungsfreien Zeit bin ich sehr flexibel, da kann ich viel Zuhause (oder an anderen schönen Orten dieser Welt ;-) arbeiten. Diese Zeit nutze ich, um mich in neue Computergrafik-Werkzeuge einzuarbeiten oder mir neue Fachgebiete für Lehrveranstaltungen zu erschließen. Da der IT-Bereich sehr schnelllebig ist, gibt es keine Chance, sich auf dem erarbeiteten Stoff auszuruhen.

*Wenn du auf das Arbeitsleben zurückschaust: Was war dein schönstes Erlebnis?*
Da ich noch nicht so lange Professorin bin, sind die schönsten Erlebnisse in meinem bisherigen Werdegang sicherlich die gewesen, wo nach einer großen Anstrengung endlich das verdiente Erfolgserlebnis kam; so z.B. die erfolgreiche Beendigung meiner Doktorarbeit und die Berufung auf eine Professur hier in Dresden. Spannend an meiner Forschungstätigkeit an der Uni fand ich u.a. die vielen interessanten Konferenzen an aufregenden Orten auf der ganzen Welt.

*Welche deiner alltäglichen beruflichen Tätigkeiten macht dir weniger Spaß?*
Bestimmte nervtötende Verwaltungsaufgaben gehören sicherlich zu den Tätigkeiten, auf die ich sofort verzichten könnte.

*Als du angefangen hast zu arbeiten: Was war deine größte Befürchtung?*
Als ich an der Uni in einem Forschungsprojekt anfing, war meine größte Befürchtung die, dass ich es nicht schaffe, meine Arbeit gut zu machen. Ich war ganz auf mich allein gestellt und sollte in einem Bereich forschen, von dem ich im Studium noch nichts gehört hatte. Meine zweitgrößte Angst war, dass nun der Ernst des Lebens beginnt, der Alltag trist und grau wird und ich mich stark verändere. Beide Befürchtungen sind nicht eingetreten ;-)

*Spielt Geld für dich eine Rolle? Oder ist dir der Spaß an der Sache wichtiger?*
Ich finde beide Faktoren gleich wichtig. Wenn einem eine Sache sehr viel Spaß macht, leistet man auch sehr gute Arbeit. Sehr gute Arbeit sollte aber auch finanziell honoriert werden. Wenn ich zwischen zwei Arbeiten unterscheiden müßte, die eine weniger interessant aber sehr gut bezahlt, die andere sehr interessant aber in einem jungen Unternehmen, das mir nicht mehr zahlen kann, würde ich auf jeden Fall den interessanteren Job nehmen. Sonst wird der Alltag wirklich trist und grau.

*Was wolltest du mit 16 Jahren werden?*
Mit 16 Jahren hatte ich absolut keine Ahnung davon, was ich werden wollte. Nach dem Abi hätte ich gerne Design studiert, bin aber nicht angenommen worden. Meine Entscheidung, Informatik zu studieren, war aus der Not geboren. Ich habe mich vorher noch nie mit Computern beschäftigt und hatte eine Heidenangst vor dem Studium. Nachdem ich das Studium dann aber erfolgreich abgeschlossen habe, bin ich an der Uni in ein Forschungsprojekt eingestiegen und habe dieses mit einer Doktorarbeit abgeschlossen. Ich hatte nie wirklich vor, diese Laufbahn einzuschlagen. Das hat sich im Grunde sozusagen "unterwegs ergeben".

*Falls du den Beruf heute nicht ausübst, warum hast du den Wunsch fallengelassen?*
Den Wunsch, Design zu studieren, habe ich fallengelassen, weil von 600 BewerberInnen nur 40 angenommen wurden und ich mich leider nie unter den glücklichen "GewinnerInnen" befand. Erfreulicherweise bin ich nun aber - über den "Umweg Informatikstudium" - in einem Bereich der Informatik tätig, in dem Gestaltung eine ganz wesentliche Rolle spielt. Das war damals noch überhaupt nicht vorstellbar.

*Welche Situationen oder Menschen in deinem Leben haben dir bei deiner Berufswahl geholfen?*
Das hört sich vielleicht blöd an, aber den Ausschlag für meinen Entschluß Informatik zu studieren hat die Mutter einer Freundin gegeben. Sie hat damals so nebenbei gesagt: "Du warst doch immer so gut in Mathe, studier' doch Informatik." Da ich zu der Zeit sehr verunsichert war und mir wirklich nichts anderes einfiel, habe ich das auch gemacht. Ich bin mir nicht sicher, ob sie weiß, was sie mit ihrer Bemerkung angerichtet hat :-)


*Hast du Kinder? Möchtest du welche? Und hast du dir schon mal überlegt, wie du Beruf und Kinder unter einen Hut bringen kannst?*
Ich habe keine Kinder und will auch in Zukunft keine. Ich denke es ist nicht so einfach, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bringen. Vor allen Dingen die akademische Laufbahn ist mit Kindern sehr schwer zu vereinen. Ich bewundere die wenigen Frauen, die das geschafft haben.

*Was meinst du: Inwiefern hast du es als Frau im Berufsalltag schwerer als deine männlichen Kollegen?*
Glücklicherweise habe ich persönlich weder im beruflichen Alltag noch während meines Studiums gravierende Diskriminierungen erfahren. Allerdings heißt das nicht, dass es sie nicht gibt. Man muß sich ja nur mal anschauen, wie hoch der Prozentsatz an Professorinnen (nicht nur in der Informatik) in Deutschland ist. Frauen haben es oft schwerer, an die Stellen zu kommen, die es Ihnen ermöglichen sich entsprechend zu qualifizieren. Hier bleiben die Männer doch gerne unter sich. Ein großer Nachteil ergibt sich für die Frauen dann, wenn Sie Kinder haben wollen. Der Mann, der seine Karriere an den Nagel hängt, um Zuhause die Kinder zu hüten und für saubere Wäsche und einen vollen Kühlschrank zu sorgen, gehört wohl eher ins Reich der Fabelwesen.

*Welche Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten brauchst du zur Ausübung deines Berufes?*
Abstraktionsvermögen, Disziplin, eine schnelle Auffassungsgabe, die Bereitschaft ständig etwas Neues zu lernen, eine gewisse soziale Kompetenz und noch vieles mehr.

*Wie und wo hast du diese gelernt?*
Sicherlich während meines Studiums und während meiner Zeit danach an der Uni. Die wichtigsten Dinge lernt man sowieso eher nebenbei, ohne dass man es so recht bemerkt. Vieles davon ist Erfahrung, die kommt mit der Zeit und lässt sich nicht erzwingen.

*Was war deine Ausbildung?*
Ich habe zunächst an der Uni Passau Informatik studiert, danach in einem Forschungsprojekt zum Thema "Künstliche Intelligenz & Computergrafik" an der Uni Bielefeld gearbeitet und dort meinen Doktor gemacht.

*Welche Hobbys hattest du mit 16 Jahren?*
Lesen, mit FreundInnen herumhängen, Musik hören, Kino...ich schätze mal, alles was man so mit 16 üblicherweise gemacht hat.

*Was tust du heute am liebsten in deiner Freizeit?*
FreundInnen besuchen, Kino, Fahrradfahren, Lesen, Reisen ... also immer noch die Dinge, die ich üblicherweise mit 16 gemacht habe. Ihr seht, meine Befürchtung, mich mit Eintritt ins Berufsleben stark zu verändern, ist tatsächlich nicht eingetreten :-)

*Welche Tipps zur Berufswahl möchtest du den Lizzys mit auf den Weg geben?*
Wenn Ihr genau wißt, was Ihr gerne machen wollt, dann legt los. Lasst Euch nicht von Anderen verunsichern. Wenn Ihr keine Ahnung habt, lasst Euch nicht von anderen Leuten vorgaukeln, dass man unbedingt schon zu Abi-Zeiten wissen muss, in welchem Beruf man sein Leben lang arbeiten will. Die wenigsten Menschen fühlen sich zu etwas "berufen". Sucht Euch andere Kriterien, die Euch an Eurer zukünftigen Arbeit wichtig sind. Für mich war damals z.B. wichtig etwas zu studieren, womit ich später auch Geld verdienen kann. Es hat durchaus Vorteile, nur mit wagen Vorstellungen und ohne konkretes Ziel loszulaufen. So ist man aufmerksam und schaut auch mal nach rechts und links. Auf diese Weise findet man Dinge, an die man vorher überhaupt nicht gedacht hat.

*Gibt es außerdem noch etwas, was du zum Thema "Berufswahl" loswerden willst?*
Nein.

Autorin / Autor: ~at~ - Stand: 4. September 2000