Der Alltag einer Pilotin

Monika Kölling ist 39 Jahre alt, wohnt im Süden Münchens und ist Kapitän bei der DBA auf Boeing 737-300.

*Sind hier nicht eigentlich Männer unter sich?*
Die Tatsache, mit diesem Wunsch in eine fast reine Männerdomäne einzudringen, hat mich nie wirklich beeindruckt. Bis heute sind Frauen im Cockpit bei jeder Airline eher die Ausnahme, was weniger mit der Qualifikation zusammenhängt, sondern vielmehr mit dem Kostenfaktor, der im Falle einer Schwangerschaft der Pilotin für die Fluggesellschaft ausgesprochen hoch ist. Begründet liegt dies in der Tatsache, dass für eine schwangere Pilotin ein neuer Kollege ausgebildet werden muss, zugleich die Stelle für die Kollegin erhalten werden muss. Nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz muss die Kollegin eine erneute Ausbildung auf dem speziellen Flugzeugmuster im Simulator (Type Rating) erhalten und zugleich müssen die Voraussetzungen für eine erneute Lizenzverlängerung geschaffen werden, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Sollte man als junges Mädchen in Erwägung ziehen, den Beruf der Verkehrsflugzeugführerin ergreifen zu wollen, ist obengenannter Aspekt sicher nicht unerheblich für die Zukunftsplanung.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Pilotin zu werden?

Schon seit früher Kindheit war bei mir das Interesse für die Fliegerei vorhanden. Es hat mich von jeher fasziniert, dass es mit Hilfe technischer Mittel möglich ist, die Schwerkraft zu überwinden und die Welt von oben zu betrachten. Irgendwann war es dann kein großer Schritt mehr von der reinen Faszination hin zum Wunsch, diese Technik tatsächlich auch selbst zu beherrschen.

*Die Grundvoraussetzungen für diesen Beruf*
Des weiteren sind Grundvoraussetzungen zur Ergreifung dieses Berufs technisches Verständnis, analytisches Denken sowie Mehrfachbelastbarkeit. Verantwortung für sich selbst, seine Crew und seine Passagiere übernehmen zu wollen gehört genauso zum zukünftigen Berufsbild wie ein hohes Maß an Flexibilität. Im übrigen sollte man sich im Klaren darüber sein, dass eine privatfinanzierte Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin mit immensen Kosten verbunden ist. In der momentanen Situation auf dem Arbeitsmarkt gibt es jedoch mehr Bewerber als freie Stellen.

*Der erste Flug*
Obwohl die Perspektiven "frischgebackener" Piloten in den achtziger Jahren ebenfalls nicht gut waren und mir häufig davon abgeraten wurde, diesen Beruf zu ergreifen, habe ich mich 1989 dazu entschieden, mit der Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin zu beginnen. Mit viel Glück begann dann 1991 meine Karriere als 1. Offizier bei der DBA auf einer Saab 340 (33-sitziger Turboprop) in Friedrichshafen. Da die Saab 340 das erste zweimotorige Flugzeug war, das ich flog und mir jegliche Airlineerfahrung fehlte, war ich bei meinem ersten Flug auch dementsprechend aufgeregt und nervös. Dennoch war ich natürlich auch unheimlich stolz, einen der begehrten Jobs erhalten zu haben.

*Alltags-Checkliste*
Nach 3 Jahren in Friedrichshafen wurde ich als Copilotin auf Fokker 100 umgeschult und nach weiteren 2 Jahren zum Kapitän befördert. 1996 erfolgte dann die Umschulung zum Kapitän auf Boeing 737-300. Zu meinem Job als Kapitän gehört nicht in erster Linie das Fliegen als solches, sondern vor allen Dingen als Chefin eines Teams die sichere und pünktliche Durchführung eines Fluges zu gewährleisten. Circa 1 Stunde vor dem geplanten Abflug (Check-in) trifft sich die gesamte Crew im Crewraum. Dort wird anhand aktueller Unterlagen wie Wetter, Flugdurchführungspläne, NOTAMS usw. die Kraftstoffkalkulation gemacht. Mit der Kabinenbesatzung wird ein Briefing über Notfallverfahren, Serviceabläufe, Dauer des Fluges und eventuelle Besonderheiten durchgeführt. Nachdem wir bei unserem Operations den Sprit und einen Bus bestellt haben, begeben wir uns zum Arbeitsplatz Flugzeug, das in der Zwischenzeit betankt und beladen wurde. Nach Beendigung des Outsidechecks und der Überprüfung der Flugzeugdokumentation werden ca. 20 Minuten vor dem Abflug die Gäste abgerufen, die ersten Checklisten gelesen, ein Abflugbriefing durchgeführt und die "Clearance" für den Flug von der Flugsicherung eingeholt. Sobald alle Gäste an Bord sind, erhalten wir noch die letzten Ladepapiere. Nach dem Schließen der Tür und dem Anlassen der Triebwerke wird dann in Abstimmung mit der Flugsicherung der Flug durchgeführt. Nachdem wir unsere Passagiere sicher an den Zielflughafen gebracht haben, wird die Maschine auf's Neue in ungefähr 30 Minuten wieder abflugbereit gemacht. Meistens haben wir zwischen 2 und 4 Flüge am Tag, was bei dem Streckennetz der DBA bedeutet, dass nach relativ kurzer Zeit eine gewisse Routine Einzug hält. In der Kurzstreckenfliegerei, wie die DBA sie betreibt, hat man als Pilot den Vorteil, innerhalb kurzer Zeit sehr viele Starts und Landungen absolvieren zu können. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Tatsache, dass wir trotz Schichtdienst relativ häufig zuhause sind, keinen Jetlag kennen und es einfacher ist ein ausgeglichenes soziales Umfeld zu erhalten als in der Langstreckenfliegerei. Nachteil ist, dass es kaum Aufenthalte in fremden Ländern gibt und somit der Reiz des Neuen entfällt.

*Nach wie vor ein Traumberuf*
Alles in allem ist dieser Beruf nach wie vor mein absoluter Traumberuf, obwohl er sehr häufig ein großes Maß an Flexibilität verlangt. So hat zum Beispiel der 11. September schlagartig die Verletzbarkeit des Einzelnen, die von Flugzeugbesatzungen im Besonderen, deutlich gemacht und vieles verändert. So erfordert mein Beruf nach diesen Anschlägen ein noch höheres Maß an Aufmerksamkeit die sichere Durchführung eines Fluges betreffend. Die Cockpittüre muss seit diesem Vorfall beispielsweise während des gesamten Fluges verschlossen bleiben, was die Kommunikation mit der Kabinenbesatzung nicht gerade vereinfacht.

*Neue Perspektiven*
Seit ich in diesem Beruf arbeite, hat sich meine Einstellung zu vielen Dingen doch verändert: So halte ich mich beispielsweise für toleranter als vor meinem "Fliegerleben" - vielleicht, weil ich versuche, mein Umfeld aus anderen Perspektiven heraus zu betrachten. Auch ist mir meine Freizeit und mein soziales Umfeld noch kostbarer geworden, seit ich in diesem Beruf tätig bin. Obwohl ich in meinen freien Tagen von Zeit zu Zeit auch noch Hubschrauber fliege, nutze ich einen großen Teil meines Privatlebens dazu, völlig "bodenständige" Dinge zu tun, wie zum Beispiel lange Ausritte mit meinem Pferd "Apollo" zu unternehmen.

*Offene Wünsche?*
Sollte mir auf einem meiner zahlreichen Flüge demnächst irgendwann einmal eine gute Fee begegnen, hätte ich vor allem einen Wunsch:
Mit einem Shuttle ins Weltall fliegen, um die Erde als Kugel zu sehen und das Gefühl absoluter Schwerelosigkeit zu erleben.

Lies nach!

Autorin / Autor: Redaktion, Monika Kölling - Stand: 27. Mai 2003