Nein, ich bin nicht schlecht in Mathe!
Wie vernünftig es ist, sich selbst zu täuschen
Wer Fakten einfach nicht wahrhaben will, verhält sich in jedem Fall unvernünftig – oder? Dass es in manchen Fällen sinnvoll sein kann, sich selbst zu täuschen, legen die Bochumer Philosophen Prof. Dr. Albert Newen und Christoph Michel dar. Die Selbsttäuschung kann ein wichtiger Motivationsfaktor sein und entbehrt nicht jeglicher Vernunft.
So gut werden wie man zu sein meint
Selbsttäuschung ist ein weit verbreitetes Alltagsphänomen. Wer die Fakten sieht, aber nicht wahrhaben will, wird allgemein als unvernünftig bezeichnet – zu Unrecht, meinen Prof. Newen und Christoph Michel. Denn die Selbsttäuschung kann ein wichtiger Faktor sein, der die Motivation aufrecht erhält. Ein Beispiel: Wenn jemand nicht sehr begabt ist für Mathematik, sich aber einredet, er sei es, so kann das falsche Selbstbild dennoch die Motivation steigern, sich auf den Mathetest intensiv vorzubereiten. Die harten Fakten, z.B. dass die Lehrerin den SchülerInnen vor Augen führt, dass sie selbst bei härtester Arbeit eben nicht über eine 4+ hinauskommen werden, würden dagegen die Motivation zusammenbrechen lassen.
Wirklichkeitsverzerrung ist schädlich
Natürlich kann Selbsttäuschung auch zu einer massiven Wirklichkeitsverzerrung führen. Wenn ein Vater z.B. das Absinken der Schulnoten seines 16-jährigen Sohnes mit dessen Pubertät entschuldigt und sich einredet, das würde von allein schon wieder besser, dabei aber ignoriert, dass der Sohn tagelang in der Schule fehlt, jedes Wochenende volltrunken nach Hause kommt und in seinem Zimmer Alkohol versteckt, hat die Selbsttäuschung keinen positiven Effekt mehr. In diesem Fall führt sie zu einer Wirklichkeitsverzerrung, die für den Selbsttäuscher, der am Wohl seines Sohnes interessiert ist, schädlich wird.
Vernunft fällt nur lokal aus
„Die beiden Beispiele zeigen, dass die Antwort auf die Frage, ob Selbsttäuschung unvernünftig ist, keineswegs so klar ist, wie es auf den ersten Blick scheint", sagt Prof. Newen. „Selbsttäuschung ist nicht immer unvernünftig, sondern ein wesentlicher Faktor zur Stabilisierung der Motivation: Ja, die Strategie der Selbsttäuschung stützt sich sogar wesentlich auf vernünftige Abwägungsprozesse, die allerdings in Bezug auf bestimmte Fakten nicht mehr in der üblichen Weise ablaufen." Das Wesen der Selbsttäuschung sehen die Forscher also keineswegs als einen Zusammenbruch der Vernunft, sondern lediglich als ihren lokalen Ausfall in eng begrenzten Bereichen, wobei jedoch Grundstrategien vernunftmäßiger Bewertungsprozesse intakt bleiben.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 29. September 2010