Anfassen kann teuer werden
US-Forscher: Berühren der Ware steigert die Konsumlust
"Die Internet-Shops machen den Einzelhandel kaputt" oder "Online-Shopping tötet Innenstädte" - solche und ähnliche Anfeindungen gegen den Handel im Web dürften nun der Vergangenheit angehören. Ein Team von Forschern vom California Institute of Technology (Caltech) hat nämlich herausgefunden, dass der Online-Handel zwar viele positive Seiten hat, aber schlagen kann er die Geschäfte in der wirklichen Welt nicht, denn er ist (noch) nicht in der Lage, uns die Waren auch anfassen zu lassen. Genau das ist aber wichtig für unsere Kaufentscheidung!
"Es ist von Bedeutung, ob Sie in einem Restaurant einfach nur den Namen eines Nachtischs auf der Speisekarte präsentiert bekommen oder sich die Nachspeise auf eine Tablett ansehen können", sagt Antonio Rangel, Professor für Neurowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften an der Caltech.
Die meisten Verhaltenstheorien gingen bisher davon aus, dass die Form der Präsentation (Bild, Text oder reale Präsentation) keine große Rolle für eine Kaufentscheidung spielt. Das Forscherteam wollte es aber genauer wissen und führte Versuche mit hungrigen ProbandInnen durch: In einem ersten Durchlauf präsentierten sie ihnen Lebensmittel nur im "Text-Format", in einem zweiten Durchlauf wurde ein hochauflösendes Foto vorgelegt, und im dritten Versuch wurde das Essen auf einem Tablett angerichtet. Dann wurde gefragt, wieviel sie für das Essen bezahlen würden.
Das Ergebnis: Für die Lebensmittel, die nur im Text oder bildlich dargestellt waren, wurde etwa gleich viel geboten. Für das Essen auf dem Tablett waren die Versuchspesonen aber bereit, durchschnittlich 50 Prozent mehr zu zahlen.
50 Prozent mehr für "Ware zum Anfassen"
Um auszuschließen, dass die Gerüche den Ausschlag gaben, mehr zu zahlen, entschied sich das Team, den Versuch mit verschiedenen anderen Waren zu wiederholen. Die Ergebnisse blieben aber die gleichen wie in den Lebensmittel-Experimenten. Die ProbandInnen waren bereit, im Durchschnitt 50 Prozent mehr für die Produkte zu zahlen, die sie berühren konnten als für die, die nur in Text oder Bild dargestellt waren.
Aber was löste dieses Verhalten aus? Die ursprüngliche Hypothese des Teams war, dass das Verhalten eine klassische Pawlowsche Reaktion sei: Appetitlicher Reiz löst Verlangen aus. Das funktioniert aber offensichtlich nur dann, wenn man vorher dem Bewegungsimpuls folgen kann, den der Reiz auslöst. Sprich: Wenn es keine Möglichkeit gibt, das Element zu berühren, bleibt die Pawlowsche motorische Reaktion aus und damit reduziert sich die Konsumlust.
Um diese Hypothese zu testen, brachte das Team eine Plexiglas-Barriere zwischen den ProbandInnen und dem Artikel an. Wie angenommen fiel der Warenwert auf die gleiche Ebene wie für die als Text und Bild angebotenen Produkte, weil die Möglichkeit des physischen Kontakts erloschen war.
Für die Geschäfte in der Nachbarschaft sind das doch durchaus positive Ergebnisse. Sofern sie bereit sind, ihre Waren auch anfassen zu lassen, werden sie aufgrund unserer Pawlowschen Reaktionen weiterhin bessere Geschäfte machen als Online-Shops. Zumindest so lange bis Techniken erfunden sind, die das virtuelle Anfassen auch beim Online-Shoppen ermöglichen ;-).
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 13. September 2010