Sieg mit roter Karte?
Studie: Warum nur 10 Spieler manchmal mehr Erfolg haben
Die Röhrenaale haben versagt (es waren wohl doch eher Zitteraale) und Krake Paul geht vermutlich als erfolgreichstes Tier-Orakel in die Fußballgeschichte ein. Spanien hat die deutsche Mannschaft mit einem 1:0 aus dem Weltmeister-Traum gekickt. Vielleicht hätte die deutsche Elf in den Minuten nach dem verhängnisvollen Tor einfach ein bisschen aggressiver spielen müssen und dabei ruhig mal eine rote Karte riskieren sollen, um das Ruder rumzureißen. 10 Spieler in Bedrängnis sind nämlich häufig erfolgreicher als 11. Diesem bekannten Fußballmythos sind Mario Mechtel, Tobias Brändle, Agnes Stribeck und Karin Vetter von der Universität Tübingen auf den Grund gegangen und haben in einem großen Gemeinschaftsprojekt den Spielverlauf von 3060 Spielen der Bundesligazeiten 1999/2000 bis 2008/2009 ausgewertet. In dieser Zeit zählten sie insgesamt 672 Platzverweise.
Gastmannschaften profitieren von roter Karte
Das Ergebnis: Eine Gastmannschaft kann in der Tat von einem Platzverweis – sei es die rote Karte oder eine wiederholte gelbe Karte – profitieren. Voraussetzung ist aber, dass die Mannschaft nur noch höchstens 20 Minuten in reduzierter Besetzung spielen muss. Sonst hält das bestrafte Gastteam nicht durch. Etwas anders sieht es für Heimmannschaften aus: Sie können von einer roten Karte überhaupt nicht profitieren. Eine personelle Schwächung schlägt sich mit großer Wahrscheinlichkeit negativ im Spielergebnis nieder.
Die vier Tübinger Wissenschaftler sind nicht die ersten, die solch eine Analyse vorgenommen haben. Doch im Unterschied zu anderen Forschern haben sie in ihre Analyse zwei weitere wichtige Faktoren einbezogen: die Stärke der beiden Teams, gemessen an ihren Ergebnissen im Verlauf der jeweiligen Saison, und die Stärke der Teams bei Heimspielen. So konnten sie besonders gut zwischen Heim- und Auswärtsspielen unterscheiden, und außerdem erlaubte das Verfahren, Korrekturen für den Fall in die Analyse einzubauen, dass zwei Teams mit sehr unterschiedlicher Stärke aufeinandertrafen.
Zudem berücksichtigen die vier Tübinger Forscher auch die Verläufe von Spielen ohne Platzverweise, um statistisch untersuchen zu können, ob die gefundenen Effekte wirklich von den Platzverweisen stammen oder durch andere Einflüsse erklärbar sind.
Rote Karte? Kein Problem! Aber bitte nach der 70. Minute
Aus der Untersuchung lasse sich, so Mario Mechtel, ganz klar eine Empfehlung für das Spiel einer Gastmannschaft ableiten: „Ein Platzverweis gegen die Gastmannschaft wirkt sich nur dann negativ auf ihr Abschneiden aus, wenn er vor der 70. Minute gegeben wird. Foulspiele oder andere zu Platzverweisen führende Aktionen zahlen sich für Gastmannschaften also durchaus positiv aus, wenn sie nicht zu früh im Spiel stattfinden.“ Ein Platzverweis gegen die Heimmannschaft wirke sich hingegen negativ auf ihr Abschneiden aus. Im Durchschnitt verschlechtere sich das Ergebnis (gemessen am Unterschied zwischen den Toren der Heim- und der Gastmannschaft) durch den Platzverweis um ein halbes Tor.
Aktuelles Beispiel: Rote Karte gegen Heimflug
Als aktuelles Beispiel aus der jüngsten Fußballgeschichte nennt Mario Mechtel das Spiel Urugay gegen Ghana: „Hätte Luis Suárez, Nationalspieler Uruguays, nicht in der 120. Minute des Viertelfinals gegen Ghana den Ball mit der Hand von der eigenen Torlinie gekratzt – ihm wäre der folgende Platzverweis zwar erspart geblieben, sein Team allerdings hätte durch das entscheidende (von ihm aber verhinderte) Tor den Heimflug antreten müssen.“
Bleibt jetzt nur zu hoffen, dass eine solche Rote-Karten-Taktik im kleinen Finale für die deutsche Mannschaft gar nicht erst nötig sein wird. Aber warten wir erst mal ab, was Krake Paul dazu sagt....
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 8. Juli 2010