Abgehauen
Autorin: Grit Poppe
Die Autorin, die auch das vielfach verkaufte Buch „Weggesperrt“ verfasst hat, hat auch bei dem nächsten Buch der Reihe „Abgehauen“ kein Blatt vor den Mund genommen um die Zustände in der damaligen DDR zu beschreiben.
In dem Buch wird das Leben der 16-jährigen Nicole „Gonzo“ Pätzold beschrieben. Sie wächst im Heim auf, weil ihre Mutter sie nicht haben wollte, und kommt wegen auffallendem Verhalten und mehrfachen Fluchtversuchen in den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau bei Leipzig.
Wie dort mit den „unerziehbaren“ Jugendlichen umgegangen wird, dringt nicht an die Öffentlichkeit und so ist Gonzo machtlos gegen die Willkür die dort auf sie ausgeübt wird. Als dann auch noch ihre einzige Freundin Anja plötzlich verschwindet weiß sie dass sie so nicht weiterleben kann. Sie schwört sich abzuhauen, nicht nur aus Torgau, sondern auch aus ihrem früheren Leben. Sie will weg und nimmt Unglaubliches auf sich um ihr Ziel zu erreichen: Ihre Freiheit.
Grit Poppe studierte in Leipzig Literatur, was man auch deutlich an ihrem Schreibstil
erkennt. Sie erzählt Gonzos Geschichte aus der personalen Erzählperspektive, was das Buch nicht nur packend emotional, sondern auch sehr informativ werden lässt. Die Lage der Jugendwerkhöfe und die brutalen Vorgehensweisen der „Betreuer“ schildert sie so klar und echt als wäre sie selbst dabei gewesen und lässt kein unschönes Detail aus. Sie erzählt von der Erziehung mit Drill und Gewalt, deren Ziel es war, den Willen der minderjährigen Jugendlichen zu brechen. Notfalls mit tagelanger Einzelhaft im Stockdunklen.
Auch als die berühmten „Montagsdemonstrationen“ in Leipzig schon Freiheit und Demokratie forderten, rührt sich nichts in dem Jugendwerkhof. Die Leiter achteten auf strengste Geheimhaltung, und obwohl manchmal Leute von außerhalb Verdacht geschöpft hatten, hat sich niemand getraut, ein Wort zu sagen.
Ich nehme an, dass Grit Poppe entweder mit ehemaligen Opfer der Höfe geredet hat oder anderen persönlichen Kontakt zu diesen besonders furchtbaren Schicksalen hatte, denn die Genauigkeit, mit der sie die Lage der Jugendwerkhöfe beschreibt, ist beeindruckend. „Abgehauen“ ist ein lesenswertes Buch, da man deutlich merkt, wie wichtig das Thema „Jugendwerkhöfe der DDR“ für die Autorin selbst ist.
Grit Poppe äußert in dem Buch ihre Fassungslosigkeit über das unaufgedeckte Handeln der sogenannten „Pädagogen“ der Jugendwerkhöfe und versucht mithilfe der beiden Bücher „Weggesperrt“ und „Abgehauen“ auf die Schicksale der Opfer aufmerksam zu machen. Während ihres weiteren Lebens verarbeitet Gonzo nie das Leben in den Jugendwerkhöfen und bleibt traumatisiert von den Geschehnissen.
Mich hat das Buch sehr berührt, besonders da ich davor noch nie von den Jugendwerkhöfen der DDR gehört hatte. Grit Poppe hat ihr Ziel, auf die Jugendwerkhöfe wie Torgau aufmerksam zu machen, bei mir erreicht und ich hoffe, dass sie es auch bei vielen anderen Lesern erreicht.
*Erschienen im Dressler Verlag*
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Autorin / Autor: anna95 - Stand: 11. September 2012