An vielen Orten zuhause
Studie untersuchte Familienleben nach Trennung und Scheidung
Auch wenn die vorweihnachtliche Werbung uns suggerieren möchte, dass Weihnachten immer noch als Fest "intakter" Familien gilt - für viele Kinder und Jugendliche findet Familienleben nicht mehr in einem einzigen Haushalt statt, sondern mal beim Vater, mal bei der Mutter – nicht selten an weit voneinander entfernten Orten. Jede sechste Familie ist laut einer Studie des Deutsches Jugendinstituts eine sogenannte Nachtrennungsfamilie, mindestens 12,5 Prozent der Minderjährigen haben getrennt lebende Eltern. Etwa eine Million Kinder und Jugendliche leben in kürzeren oder längeren Intervallen abwechselnd im Haushalt der Mutter und des Vaters. In knapp der Hälfte aller Nachtrennungsfamilien sind die Mütter oder Väter, bei denen die minderjährigen Kinder leben, noch keine neue Partnerschaft eingegangen. Seltener sind dagegen Patchworkfamilien, in denen beide Partner Kinder aus Ex-Beziehungen mitbringen oder zusätzlich ein gemeinsames weiteres Kind im Haushalt lebt.
Die Tatsache, dass die Eltern getrennt leben, bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die Kinder verlassen wurden. Über ein Drittel der Elternteile, bei denen die Kinder nicht hauptsächlich wohnen, pflegen laut Studie dennoch regen Kontakt zu ihren Kindern, so die Studienergebnisse. Sie sehen sich mehrmals in der Woche bis täglich und telefonieren, chatten und mailen regelmäßig. Haben beide Eltern das Sorgerecht, sehen die Kinder ihren extern lebenden Elternteil allerdings doppelt so häufig wie Kinder, bei denen ein Elternteil das alleinige Sorgerecht besitzt. Zu diesem häufigen Kontakt trägt natürlich auch die Nähe der Wohnorte der getrennt lebenden Eltern maßgeblich bei.
*Zwei Zuhause zu haben wird für viele Kinder zur Normalität*
Auch wenn eine Trennung oder Scheidung der Eltern für die Kinder ein einschneidendes Erlebnis ist, wird das Alltagsleben an zwei Orten für sie nach einiger Zeit zur Normalität. Viele Scheidungskinder "fühlen sich an zwei Orten zu Hause und betrachten Mutter und Vater weiterhin als Teil ihrer Familie“, so Projektleiterin Dr. Michaela Schier. Dies gilt sowohl für die Kinder, die überwiegend bei einem Elternteil, meist der Mutter, leben, als auch für jene, die gleich viel Zeit mit beiden Elternteilen verbringen.
Allerdings gehen Kinder mit ihrem Leben in zwei Familien unterschiedlich um: Kinder, die den Alltag bei Vater und Mutter als sehr kontrastreich erleben, passen sich entweder dem stark reglementierten Ablauf des einen Haushalts an, während sie bewusst die Freiheiten beim anderen Elternteil genießen, oder aber sie nehmen diese Unterschiedlichkeit als Chance wahr, das Beste aus beiden Welten zu nutzen. Kinder, die bei Vater und Mutter einen ähnlichen Alltag erleben und deren elterliche Wohnungen nah beisammen liegen, haben viel weniger Schwierigkeiten, sich an die neue Situation zu gewöhnen; nicht zuletzt auch deshalb, weil sie weiterhin in ihrem Freundeskreis und anderen Zusammenhängen bleiben können. Es gibt aber auch Kinder, die trotz großer räumlicher Entfernungen ihr Leben bei Vater und Mutter als gleichartig wahrnehmen und an beiden Lebensorten ein sehr ähnliches Freizeit- und Sozialleben führen.
*Familienleben an verschiedenen Orten nicht per se schlecht für Kinder*
Aus entwicklungspsychologischer Sicht sei es nicht bedenklich, wenn Kinder mal beim Vater, mal bei der Mutter lebten, sofern sie zu beiden Eltern von Beginn an starke Bindungen aufbauen konnten, so der Entwicklungspsychologe Ass.-Prof. Dr. Harald Werneck von der Universität Wien. Viel entscheidender sei, dass sich beide Elternteile verständigen und beide ihrem Kind eine sichere Bindung anbieten.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung ; - Stand: 23. Dezember 2011