Wenn aus Kummer Schmerz wird

Studie entdeckt starken Anstieg von selbstverletzendem Verhalten bei Mädchen

Vor wenigen Jahren wurde noch viel und ausführlich über das Thema "Ritzen" und andere Formen selbstverletztenden Verhaltens (SVV) berichtet. Schon damals fiel auf, dass besonders Mädchen dazu neigen, sich Arme oder Beine mit Rasierklingen aufzuritzen, sich Zigaretten auf der Haut auszudrücken oder sich auf andere Weise absichtlich Schmerzen zuzufügen. Doch auch wenn es medial etwas ruhiger um das Thema geworden ist: Selbstverletzung bei Kindern und Jugendlichen ist nach wie vor ein großes Problem - und das überall auf der Welt. Dabei geht es nicht nur um die akuten Verletzungen, sondern auch darum, dass Expert_innen in dem selbstzerstörerischen Handeln auch den größten Risikofaktor für Selbstmord sehen. Selbstmord ist die zweithäufigste Todesursache bei unter 25-Jährigen weltweit. Dr. Cathy Morgan und ein Team von der University of Manchester stellten nun in einer aktuellen Studie fest: Es gibt einen massiven Anstieg selbstverletzenden Verhaltens bei weiblichen Teenagern - um fast 70 Prozent! Die Forscher_innen hatten Daten von 16.912 Patient_innen zwischen 10 und 19 Jahren gesichtet, die zwischen 2001 bis 2014 in 674 Arztpraxen in Großbritannien wegen Selbstverletzung behandelt wurden.

Die Selbstverletzungsrate der Mädchen lag bei 37,4 pro 10.000 Mädchen und damit deutlich über 12,3 pro 10.000 Jungen. Sie stieg um 68 Prozent bei Mädchen zwischen 13 bis 16 Jahren von 45,9 pro 10.000 im Jahr 2011 auf 77,0 pro 10.000 im Jahr 2014.

Wenn eine Arztpraxis feststellt, dass eine Jugendliche sich selbst verletzt, wird sie in der Regel an spezialisierte psychiatrische Dienste weitergeleitet. In ihrer Studie mussten die Forscher_innen jedoch feststellen, dass junge Patient_innen, die in benachteiligten Gebieten zum Arzt gegangen waren, um fast ein Viertel seltener zu einem Facharzt geschickt wurden, obwohl die Selbstverletzungsrate dort sogar noch höher war. Eine nicht ungefährliche Entwicklung, denn Kinder und Jugendliche, die sich selbst verletzt haben, sterben neunmal häufiger eines unnatürlichen Todes als andere Jugendliche, die ebenfalls ein erhöhtes Selbstmordrisiko oder akute Alkohol-/Drogenvergiftungen haben.

Studienautor Nav Kapur, Professor für Psychiatrie an der Universität Manchester zeigte sich überrascht vom raschen Anstieg des Selbstverletzenden Verhaltens bei Mädchen zwischen 13-16 Jahren. Diese Ergebnisse machten es notwendig, frühzeitiger zu reagieren, um das Suizidrisiko zu reduzieren. "Wir wissen, dass Gesprächstherapien helfen können. Es besteht auch ein Bedarf an einer stärker integrierten Betreuung von Familien, Schulen, Gesundheits- und Sozialfürsorgeanbietern und Freiwilligendiensten, um die Sicherheit dieser notleidenden jungen Menschen zu verbessern und ihre künftige psychische Gesundheit und ihr Wohlergehen zu sichern."

Warum es aber zu der rapiden Zunahme selbstverletzenden Verhaltens bei Mädchen kommt, könne er sich nicht wirklich erklären. Es könnte einerseits daran liegen, dass es allgemein und in der ärztlichen Praxis mehr Bewusstheit über das Problem gibt. Aber es könnte auch sein, dass es sich um eine Folge von zunehmendem Stress und höheren psychischen Problemen bei jungen Menschen handele. "Es gibt einige Hinweise darauf, dass allgemeine psychische Erkrankungen innerhalb dieser Altersgruppe immer häufiger werden. Zwar können das Internet und die sozialen Medien dabei helfen, Selbstverletzendes Verhalten zu vermeiden, aber es kann auch genauso negative Auswirkungen haben. Auch das ist ein Schwerpunkt der Forschung", sagte er.

Dennoch wolle er Jugendliche, Eltern und Betreuer nicht übermäßig beunruhigen. "Wir wissen, dass es vielen jungen Menschen irgendann auch wieder besser geht und sie sich als Erwachsene nicht mehr verletzen. Aber trotzdem müssen wir Selbstverletzung ernst nehmen; es ist wichtig, die Ursachen zu verstehen."

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung