Arbeitsort Wald

Wir wollten wissen, was eigentlich eine Försterin macht und haben Annika Wilbers gefragt. Sie ist "Funktionsbeamtin Naturschutz" und engagiert sich im Verein Frauen im Forstbereich e.V., der unter anderem Frauen in diesen Berufen sichtbarer machen will. Sie beschreibt ihr Arbeitsleben in und um den Wald und welche vielseitigen Aufgaben und Herausforderungen dort auf sie warten.

Foto: ForstBW

Bisher gibt es noch wenige Försterinnen. Wie würden Sie Ihren Beruf bewerben, um mehr junge Frauen für diesen Beruf zu begeistern?

Suchst du einen Job, bei dem jeder Tag neue Herausforderungen bietet? Einen Job, bei dem du mit und für die Natur arbeitest? Du bist gerne draußen unterwegs und hast gerne mit verschiedenen Menschen zu tun? Du möchtest nachhaltig arbeiten in einer Berufswelt, die den Begriff „Nachhaltigkeit“ erfunden hat? Dann bist du vielleicht die nächste Försterin!

Was hält Frauen bisher davon ab, den Beruf zu wählen?

Die forstliche Berufswelt in Deutschland ist nach wie vor männerdominiert. In den Landesforstverwaltungen nimmt der Anteil weiblicher Beschäftigter mit forstlicher Ausbildung seit 2015 langsam von ca. 9 % auf ca. 13 % zu. Fehlende weibliche Vorbilder, geschlechterspezifische Herausforderung, sexistische Erfahrungen am Arbeitsplatz sind vermutlich die Hauptgründe für den geringen Frauenanteil. Daher versuchen wir im Verein „Frauen im Forstbereich e.V.“ eine Plattform zu bieten, um auf verschiedenen Ebenen an der Gleichberechtigung zu arbeiten. Wir freuen uns über jede Frau, die sich für den Forstberuf entscheidet und mit uns weiter daran arbeitet, dass wir mehr werden.

Foto: Annika Wilbers

Wie wird man denn Försterin?

Nach einem Studium der Forstwissenschaft an einer Universität (eher theoretisch ausgelegter Schwerpunkt) oder ein Studium der Forstwirtschaft an einer Fachhochschule (eher praktisch ausgelegter Schwerpunkt) bewirbt man sich in einem Bundesland zum sogenannten Anwärterdienst. Je nach Bundesland unterscheidet sich die Länge dieses Dienstes. Das Anwärterjahr ist meist so aufgebaut, dass man den Hauptteil der Zeit mit einer Revierleitung verbringt. Das sind die „klassischen“ Försterinnen und Förster. Zusätzlich hat man Lehrgänge zu bestimmten Themen, die drinnen und draußen stattfinden. Am Ende des Anwärterdienstes muss man das Staatsexamen bestehen, welches aus schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfungen besteht.

Und wie sah Ihr Weg dorthin aus?

Nach einem FÖJ an einem Polarforschungs-Institut habe ich in Marburg Biologie studiert und mit einem Master in Biodiversität und Naturschutz abgeschlossen. In meiner Masterarbeit durfte ich im Nationalpark Bayerischer Wald Daten sammeln und habe dort meine Liebe zum Ökosystem Wald entdeckt und ich beschloss, noch ein Studium in Göttingen anzuhängen. Nach dem Bachelor in Forstwissenschaften machte ich den Anwärterdienst (vergleichbar mit dem Referendariat im Lehramt) in dem mittelhessischen Forstamt, in dem ich auch jetzt noch arbeiten darf. Als sogenannte „Funktionsbeamtin Naturschutz“ habe ich ein besonderes Aufgabenspektrum im Forstamt: Ich bin zum einen zuständig für das Management der Naturschutz- und FFH-Gebiete und berate die Revierleitungen bei Fragen im Artenschutz. Ebenso bin ich als Bibermanagerin unterwegs und als amtliche Wolfsberaterin ausgebildet. Mit dieser Stelle kann ich den Schwerpunkt meines Biologie-Studiums mit der Forstwissenschaft verbinden, was mir sehr viel Freude bereitet.
Als Vorstandsmitglied im Verein „Frauen im Forstbereich e.V.“ arbeite ich aktiv daran mit, die eher konservative Forstwelt aufzubrechen. Das Netzwerk, welches wir im Verein aufgebaut haben, erlaubt es uns auf mehreren Ebenen die Gleichberechtigung in der Forstwelt voranzutreiben.

Welche Voraussetzungen braucht man, um den Beruf zu erlernen und auszuüben?

Ein Verständnis für biologische und wirtschaftliche Prozesse ist eine gute Grundlage. Das Forststudium ist breit gefächert und reicht von Wirtschaft und Chemie, über Waldbau bis zur Bodenkunde. Ebenso wichtig finde ich, dass man sich gut auf andere Menschen einlassen kann. Denn man arbeitet mit vielen Menschen zusammen, die alle einen anderen Blick auf den Wald mitbringen.

Wie sieht ein typischer Tagesablauf aus?

Da ich keine Revierleitung habe, sondern im Forstamt eine Funktionsstelle habe, unterscheidet sich mein Tag stark von der einer klassischen Försterin. Als Funktionsbeamtin Naturschutz bin ich für das Management der Naturschutz- und FFH-Gebiete zuständig (FFH ist die Abkürzung für Fauna-Flora-Habitat-Gebiet). Ich sorge dafür, dass sich geschützte Arten und Lebensräume in diesen Gebieten gut entwickeln können und diese nicht beeinträchtigt/gestört werden. Ist zum Beispiel der Kammmolch eine Zielart im Schutzgebiet, also will man seine Entwicklung fördern und die Art erhalten, lasse ich Amphibienteiche anlegen und pflegen.

Hier mal ein exemplarischer Tagesablauf:
Ich checke meist morgens erstmal im Büro meine Mails. Dann ruft mich der Baggerfahrer an, dass er bei seiner letzten Baustelle früher fertig geworden ist und heute bei mir anfangen kann. Dann bereite ich eine Karte und einen Arbeitsauftrag für ihn vor und weise ihn auf der Fläche ein, wo er den Teich anlegen soll.
Mittags habe ich einen Termin mit der Naturschutzbehörde und einer Revierleiterin. An einer Straße, die durch den Wald verläuft, muss ein Baum gefällt werden. Dieser Baum hat durch die vergangenen trockenen Jahre viele trockene Äste in der Krone, die drohen auf die Straße zu fallen. Im Stamm ist jedoch eine Höhle, die Fledermäuse als Winterquartier bewohnen. Mit der Naturschutzbehörde besprechen wir, dass der Baum vom Harvester oberhalb der Höhle abgeschnitten wird. So kann die Höhle weiter bewohnt werden, und die Straße kann wieder befahren werden. Anschließend fahre ich wieder zum Bagger und kontrolliere, ob der Teich nach meinen Vorgaben angelegt wird.
Am Nachmittag bin ich wieder im Büro und bereite weitere Maßnahmen oder Behördentermine für die Naturschutzgebiete vor.

Aus Erfahrung kann ich auch sagen, dass kein Arbeitstag so verläuft, wie ich vorher geplant hab. Es kommen immer spontan Planänderungen vor, da ist es von Vorteil, flexibel reagieren zu können. Aber das finde ich gerade auch das Schöne daran. Jeder Tag bringt etwas Neues mit sich.

Was sind Ihre persönlichen Lieblingsaufgaben?

Am liebsten bin ich draußen bei der Umsetzung der Maßnahmen dabei und sehe dabei zu, wie Lebensräume verbessert werden oder neu entstehen. Eine weitere Lieblingsaufgabe ist das Biber-Management. Dazu laufe ich im Winter und Frühjahr Flusssysteme ab und suche nach Spuren von Bibern. Ich kartiere die Bibervorkommen, mache Öffentlichkeitsarbeit und bin Beraterin bei aufkommenden Konflikten.

Biber-Management: Suche nach Spuren von Bibern und Beratung bei aufkommenden Konflikten (Foto: Annika Wilbers)

Welche Tätigkeiten sind Ihnen eher lästig oder nicht so angenehm?

Ein großer Teil meiner Funktionsstelle beinhaltet Büroarbeit. Dazu zählt zum Beispiel die Budgetverwaltung, Abrechnung buchen, Protokolle schreiben, Maßnahmen planen, Genehmigungen einholen etc.

Welche Aufgabe ist zurzeit die größte Herausforderung einer Försterin/eines Försters?

Uns alle beschäftigt zurzeit, dass die Auswirkungen des Klimawandels in unseren Wäldern deutlich spürbar werden. Die letzten Jahre waren extrem trocken und der Frost im Winter ist je nach Standort ausgeblieben. Durch Stürme und Käferbefall sind große Freiflächen entstanden, die wir nun mit aller Kraft aufforsten. Die Hoffnung ist, dass wir durch einen Baumartenwechsel einen klimastabileren Wald begründen. Welches Klima jedoch genau herrscht, wenn diese neuen Bäumchen alt werden, kann niemand genau vorhersagen.
Ein weiteres Thema, welches die Mitgliedsfrauen bei Frauen im Forstbereich e.V. beschäftigt, ist der nur langsam steigende Frauenanteil und der oft noch offene Sexismus am Arbeitsplatz. Es ist anstrengend, Vorurteile zu überwinden und Aufklärungsarbeit zu leisten, anstatt einfach seinen Job machen zu können.

Wieviel Klima- und Naturschutz ist in Ihrem Beruf Thema?

Meine Funktionsstelle beschäftigt sich zu 100% mit dem Thema Naturschutz. Ich betrachte auch die Auswirkungen des Klimawandels in den Schutzgebieten und versuche so gut es geht die Lebensräume zu erhalten. Zurzeit ist eins meiner größten Projekte zum Beispiel die Renaturierung von Moorbereichen im Forstamt. Bei den Revierleitungen ist Klima- und Naturschutz auch ein großer Teil der täglichen Arbeit. Sie müssen auf gleicher Fläche nachhaltige Holzproduktion, Boden-, Natur- und Arbeitsschutz unter einen Hut bekommen und dabei die Erholungsfunktion mit im Blick haben. Die Ansprüche an unsere Wälder sind sehr vielfältig, und genauso breit gefächert ist daher auch unsere Ausbildung.

Was macht ihnen am meisten Sorgen hinsichtlich des Artensterbens und der Klimakrise?

Nach Fichte und Buche trifft es zurzeit die Eiche. Eine Baumart, die sich bis jetzt eigentlich gut geschlagen hat. Durch die erhöhten Temperaturen bekommt sie Trockenstress und wird anfälliger für Käferfraß oder Pilzkrankheiten. Die Eiche spielt im Waldnaturschutz eine große Rolle, da viele geschützte Tierarten auf sie angewiesen sind.

Worin besteht ihre Hoffnung?

Es hat bereits ein Umdenken stattgefunden und die Wälder, die meine Kolleginnen und Kollegen gerade begründen, sind baumartenreicher und klimaresistenter. Dies ist auch möglich, da sich die Forschung weiterentwickelt und die Gesellschaft und Politik mit den Folgen des Klimawandels vor der eigenen Haustür auseinandersetzen.

Vielen Dank für das Interview!

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Autorin / Autor: Annika Wilbers und Redaktion - Stand: 2. Dezember 2024