Au revoir, bis nach dem Krieg
Autorin: Gudrun Pausewang
„Au revoir, bis nach dem Krieg“ ist ein Roman über den 2. Weltkrieg und doch ganz anderes als Bücher, die den Schrecken dieser Zeit umfassend darstellen wollen.
Hanni ist gerade 15 Jahre alt geworden als Hitler Deutschland in den 2. Weltkrieg führt. In ihrem Dorf bekommt man zunächst wenig vom Kriegsgeschehen mit. Die Lebensmittel werden zwar knapp und Hannis älterer Bruder wird eingezogen, sonst ist aber alles wie immer. Nur Hannis Großmutter sieht der Zukunft skeptisch entgegen. Mit ihren düsteren Vorhersagen soll sie Recht behalten: Hannis Vater wird im Zuge des Frankreichfeldzugs eingezogen. Von nun an muss der Betrieb im familienbetriebenen Steinbruch eingestellt werden. Auch die Arbeit im Garten ist kaum noch zu schaffen. Da kommen französische Kriegsgefangene in Hannis Dorf. Ihre Familie hat Glück und bekommt ebenfalls einen Gefangenen zugewiesen. Philippe, ein junger Musikstudent, wird der Familie zugewiesen. Von nun an geht er der Familie auf dem Hof zur Hand und wird zu einer Art Familienmitglied. Für Hanni ist er bald mehr als das. Sie ist zum ersten mal verliebt – ausgerechnet in einen Gefangenen, mit dem man sich laut Gesetz nicht verbrüdern darf. Hat ihre Liebe eine Zukunft?
Gudrun Pausewang, die Autorin des Buches, hat ein ganz besonderes Buch über den 2. Weltkrieg geschrieben. Bei ihr findet man kein Wort über Judenverfolgung und Rassenideologie. Trotzdem ist die Handlung sehr bewegend und an vielen Stellen auch erschreckend. Der Leser erfährt von den Verlusten des ersten Weltkrieges, der sich negativ auf das deutsch-französische Verständnis ausgewirkt hat. Bei einigen Menschen sitzt die Niederlage des vergangenen Krieges so tief, dass sie Wut und Hass an den Kriegsgefangenen auslassen. Gleichzeitig herrscht unter der jüngeren Bevölkerung ein Kriegstaumel: Die deutschen Soldaten scheinen gerade zu Beginn des Krieges unbesiegbar. Hannis älterer Bruder stellt einen solchen jungen Deutschen dar. Bis er im Krieg fällt, hält er immer daran fest, dass das Ziel des Krieges sowie die Ideale der deutschen Nazidiktatur richtig sind. Einen starken Kontrast bietet da Hannis Oma. Sie ist von Anfang an gegen den Krieg und macht daraus kein Geheimnis. Auch Hannis Vater äußert an vielen Stellen leise Kritik an den Geschehnissen dieser Tage. Zwischen all dem steht Hanni selbst. Sie gibt zu, nicht viel von Politik und Krieg zu verstehen. Dennoch tritt sie dem Leser sehr überlegt entgegen. Sie hinterfragt vieles, was die Menschen in ihrem Umfeld als gegeben hinnehmen. An einigen Stellen wirkt Hanni deshalb ein wenig zu reif für ihr Alter, was beim Lesen jedoch nicht weiter stört. Sie ist die Zerissene, die nur langsam alle Zusammenhänge des Kriegs zu verstehen lernt.
Die Autorin zeichnet in ihrem Roman die unterschiedlichen Positionen im zweiten Weltkrieg ab. Alle Charaktere fügen sich zu einem Panorama zusammen, das den Leser zum Nachdenken anregt. Im Vordergrund steht die Frage nach der Menschlichkeit. Ist ein Mensch weniger „wert“, weil er ein Kriegsverlierer ist? Sind nicht eigentlich alle Menschen gleich? Stehen nicht Fähigkeiten und Charakter eines Menschen über seiner Herkunft? Fragen, die auch heute noch aktuell sind, betrachtet man die Mitgliedergewinnung nationalsozialistischer Parteien.
*Erschienen im Gerstenberg-Verlag*
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Autorin / Autor: missmarie - Stand: 17. Februar 2012