Bildung gegen Fast Fashion

Julika aus der "Klima&Klamotten"-Redaktion fragte Marijke Mulder, Bildungsreferentin bei FEMNET e.V., was Schulworkshops, Stadtrundgänge und andere Aktionen bei jungen Menschen verändern können

Julika und Marijke Mulder

Fast Fashion, der Riese in der Modeindustrie ist ein Thema, was uns alle noch lange beschäftigen wird, auch gerade im jungen Alter. Ich bin Schülerin und habe mit Marijke Mulder ein Interview darüber geführt, was wir gegen die Umweltauswirkungen von Fast Fashion tun können, und ob Verbote oder abschreckende Bilder in der Aufklärungsarbeit weiterhelfen. Marijke Mulder ist Bildungskoordinatorin bei FEMNET e.V. und hat zusammen mit LizzyNet das Klimaschutzprojekt „Klima&Klamotten“ durchgeführt. FEMNET ist eine gemeinnützige Frauenrechtsvereinigung, deren Mitglieder sich ehrenamtlich für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von Frauen weltweit einsetzen.

Erstmal vielen Dank für deine Zeit. Du bist Bildungskoordinatorin bei FEMNET, und ihr habt im Rahmen des Projektes Klima&Klamotten Bildungsworkshops an Schulen durchgeführt. Wie liefen die ab?

Marijke Mulder: Das Thema Klimafolgen von Kleidungskonsum war damals für uns ein neuer Schwerpunkt, denn traditionell haben wir ja vor allem Bildungsarbeit zum Thema Arbeitsrechte, Frauenrechte und Menschenrechte gemacht. Deshalb haben wir zunächst einen ganzen Referent:innenpool in dem neuen Thema ausgebildet, das sie in der praktischen Arbeit in ihre Bildungskonzepte  eingebaut haben. Der klassische 90 Minuten Workshop fängt zum Beispiel an mit der Frage: „Was hat eigentlich das Thema mit mir zu tun?“ Wir lassen die Schüler:innen auf die eigene Kleidung gucken und herausfinden, wo sie herkommt. Danach beschäftigen wir uns mit allgemeinen Fragen zum Klimawandel: Was ist das eigentlich, wie kommt der zustande? Wer ist der Verursacher und wer sind die Leidtragenden? Dann gucken wir uns speziell nochmal an, was an Fast Fashion so un-nachhaltig ist, und schließlich fragen wir, was man mit dem erworbenen Wissen jetzt tut und was wir ändern können. Meine Kollegin, die die Workshops konzipiert hat, hat einige Alternativen zusammengetragen: Zum Beispiel wird in Frankreich gerade über eine Steuer für Fast Fashion Produkte und für Produkte, die nicht recycelbar sind, gesprochen. Dann können die Teilnehmenden  sagen, ob sie das gut oder schlecht finden. Es geht darum, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Was war dein Eindruck, wie das bei den Schüler:innen ankam?

Marijke Mulder: Ich fand oft, dass sie zurückhaltender waren, als ich gedacht hätte. Ich hätte eine viel deutlichere Meinung erwartet. Alles, was mit Verboten zu tun hat, wurde mehrheitlich eher abgelehnt. Wobei ich denke, dass man bei diesem Thema ohne Verbote irgendwie auch nicht weiterkommt. Eine Sache, die ich nicht erwartet hatte, war z.B. die Frage, ob die Schüler:innen denken, dass Reparaturtechniken ein Schulfach werden sollte. Dazu waren die Reaktionen sehr positiv! Einige der Schüler:innen erzählten dann, dass  sie zwar Handarbeit als Fach und dort Nähen gelernt hatten, aber nicht erfahren haben, wie sie eine Hose reparieren können.

Das Projekt lief 3 Jahre. In dieser Zeit habt ihr neben den Bildungsworkshops an Schulen ja auch „konsumkritische Stadtrundgänge“ und andere Aktionsformate angeboten.

Marijke Mulder: Ja, diese Aktionen haben auch viel bewirkt. Im ersten Jahr haben wir einen solchen Stadtrundgang mit Jugendlichen in der Nähe von Augsburg selbst entwickelt, da sie sich vor Ort auskannten und wussten, was es da für Möglichkeiten gibt. In diesem Jahr wurde noch eine Kleidertauschparty an der Schule gemacht, und das hat bei den Schüler:innen sehr viel bewegt. An vielen anderen Schulen ist es immer schwierig zu sagen, was von Bildungsworkshops hängen bleibt, wenn man nur einmal vor Ort ist, aber ich hoffe, wenn die Jugendlichen dann vielleicht mal Nachrichten über die Atacama Wüste sehen, dass sie das dann einordnen und in Verbindung setzen können. Und vielleicht führt es dazu, dass sie dann in eine Lebensphase kommen, wo sie dann mehr Secondhand kaufen.

Das merke ich bei meiner Klasse auch immer wieder, wenn wir diese Workshops haben. Ich glaube, dass es wichtig ist, früh darüber aufzuklären. Warum ist es wichtig, damit schon in der Schule anzufangen?

Marijke Mulder: Unsere Workshops haben sich jetzt in diesem Projekt vor allem an Schüler:innen ab der siebten Klasse gerichtet. Ich halte es für superwichtig, dass man frühzeitig das Thema auf dem Schirm hat, weil sich natürlich bestimmte Verhaltensweisen auch einprägen – besonders in einem Alter, in dem Jugendliche anfangen, ihre eigene Kleidung zu kaufen. Zum anderen ist es natürlich so, dass das Vernachlässigen von sozialer Gerechtigkeit, Klima und Klimawandel uns alle sehr teuer zu stehen kommt, wenn wir nicht handeln. Wenn es immer nur um den günstigsten Preis geht, dann bleibt halt Natur und Mensch auf der Strecke.

Welchen Stellenwert hatte das Thema in deiner Schulzeit?

Marijke Mulder: Klimawandel war damals überhaupt nicht Thema. Wobei, ich erinnere mich, ich habe, in der fünften Klasse, Anfang der 90er, einen Film gezeigt bekommen, der mich so beeindruckt hat, dass ich ihn heute noch vor Augen habe. Darüber, wie die Welt wird, wenn wir nichts ändern, 2030 oder vielleicht war es auch 2020. Und da war ein Großteil der Welt verwüstet und andere Teile waren unter Wasser. Am Ende gab es eine Liste, welche Politiker:innen dafür verantwortlich sind und es wurden alle Präsident:innen und Kanzler:innen aufgeführt. Das hat mich damals sehr beeindruckt!

Meinst du denn, dass wie damals in diesem Film ein klares ,,Ablaufdatum“ den Menschen irgendwie eher wachrüttelt, als wenn versucht wird, das wissenschaftlich zu erklären?

Marijke Mulder: Ich find das ein bisschen gefährlich, weil es z.B. die Nostradamus Prophezeiung gibt mit einem bestimmten Jahr in einer bestimmten Jahreszahl. Klar, das wirkt viel bedrohlicher, wenn ich weiß, dann ist es vorbei. Aber dieses Datum ist vorbeigegangen und es hat sich überhaupt nichts geändert. Damit verliert so ein Datum natürlich an Kraft. Ich finde im Moment größere Horizonte sinnvoller. Ich fand kürzlich ein Tool im Internet, wo man auf seinen Wohnort klicken kann, und dann gab es einen Link zu dem Ort, wo es heute so warm ist wie in Deutschland in 50 Jahren. Ich hatte auf Köln geklickt und dabei kam heraus, dass es in 50 Jahren dort so heiß ist wie im Moment in Süditalien. Das finde ich greifbarer.
Es ist ja mit der Klimakrise auch nicht so, dass es ein Enddatum gibt, an dem alles vorbei ist, sondern es wird sich schrittweise ändern. Keine gute Nachricht - und das macht es auch für die Bildungsarbeit echt schwierig, weil ich das Gefühl habe, dass es in Deutschland oder vielleicht auch weltweit, so eine schlechte Stimmung in so vielen Bereichen gibt. Wir wollen Leute motivieren, aktiv zu werden.  Und dafür ist es schon wichtig, dass man auch positive Nachrichten hat und dass ist bei dem Klima Thema leider nicht so einfach.

Gerade wenn man wie ich zur Schule geht und in dieser Zielgruppe ist, die dann in 20 Jahren irgendwie handeln muss, glaubst du denn da ,,reicht“ eine Veränderung in unserem persönlichen Denken oder brauchen wir auch eine auf systemischer Ebene?

Marijke Mulder: Brauchen wir auf jeden Fall. Ich glaube dieses Private, was wir in unseren Workshops in erster Linie gemacht haben, Jugendliche zu motivieren, anders mit Kleidung umzugehen- das sind individuelle, auch wichtige Konsummuster. Aber ich bin absolut überzeugt davon, dass wir das ohne Gesetze nicht hinkriegen. Ich meine, es gibt da sehr erfolgreiche Beispiele wie den Katalysator, der heute in Autos eingebaut werden muss. Dagegen gab es in den 80er Jahren bestimmt auch Protest - heute ist das selbstverständlich. Ich glaube, man darf sich nicht zu sehr davon zurückhalten lassen, dass Menschen motzen. Aber natürlich müssen Parteien gewählt werden, die sowas einführen wollen. Ich will auch nicht behaupten, dass ich die Allwissende bin, die ganz genau weiß, was man tun muss, aber wenn wir über den Kleidungsbereich reden, hat die EU z.B. eine Strategie angestoßen, die - wenn sie wirklich umgesetzt wird - kein Fast Fashion mehr unterstützt, weil Kleidung dann recyclebar sein muss. Ich fänd das super! Aber das ist noch ein langer Weg, bis das Realität wird.

Was ist denn dein Tipp, was wir alle gegen Fast Fashion tun können?

Marijke Mulder: Zum einen überlegt euch zweimal, ob ihr das Kleidungsstück braucht. Das nachhaltigste Kleidungsstück ist das, was schon im Kleiderschrank hängt. Natürlich braucht man mal was Neues, dann gibt es vielleicht Möglichkeiten, was zu leihen oder zu tauschen über Kleidertauschpartys. Und wenn man was Neues kauft, sollte man auf die Qualität achten. Ich erzähle immer gerne die Anekdote von einem Spendenlager für gebrauchte Kleidung. Ein Mensch, der dort gearbeitet hat, hat uns mal gesagt, das Aufbereiten, also Aufhängen, Bügeln, Waschen der Fast Fashion Produkte ist die Arbeitskraft seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht wert. Das heißt, jemand, der nicht dafür bezahlt wird, kann seine Zeit besser nutzen als diese Plastikfetzen schön aufzuhängen. Trotzdem rennen wir alle in die Läden und geben viel Geld aus in Summe. Und ich finde immer wichtig, dass man nicht auf Greenwashing reinfällt. Auch wenn sich ein Laden plötzlich "Conscious“ nennt oder "Sustainable“ hat er nicht unbedingt was verändert.

Ein guter Abschlussatz. Vielen Dank für das Interview.

Das Interview fand statt im Rahmen des Projekts Klima&Klamotten

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Autorin / Autor: Julika und Marijke Mulder - Stand: 21. November 2024