Für manche sind es verschimmelte Lebensmittel, andere sind schon allein von Gerüchen angewidert - Ekelempfindlichkeit, also die Intensität, mit der jemand Bilder, Ideen oder Situationen als eklig oder einfach nur unangenehm empfindet, wird oft als eine evolutionäre Eigenschaft gesehen, die uns ursprünglich dabei half, verdorbene Lebensmittel zu erkennen, die uns krank gemacht hätten.
Die Forschung hat aber inzwischen gezeigt, dass die Ekelempfindlichkeit sehr unterschiedlich sein kann. Manche Menschen haben sehr starke Ekelgefühle andere weniger starke. Warum es diese Unterschiede gibt, ist jedoch umstritten. Hängt sie mit Neurotizismus zusammen oder ist sie ein Mittel, um ungeeignete Sexualpartner_innen zu erkennen? Und ist die Ekelempfindlichkeit über die Lebensspanne hinweg stabil oder kann sie sich verändern? Eine neue Studie der Ohio State University legt nahe, dass sich die Ekelempfindlichkeit verändern kann und dies auch tut - und dass während der COVID-19-Pandemie die Sorge, an einer Coronavirus-Infektion zu erkranken, mit einer Zunahme der Ekelempfindlichkeit verbunden war.
Obwohl der Ursprung des Ekelgefühls in der Vermeidung von Krankheiten liegt, hat die Forschung im Laufe der Jahre herausgefunden, dass Ekel auch mit der Abneigung vor etwas oder jemand "Anderem" in Verbindung steht - zum Beispiel Menschen anderer ethnischer Gruppen, politischer Ideologien oder Geschlechter. Diese Denkschule geht davon aus, dass Ekelempfindlichkeit ein unveränderlicher individueller Unterschied ist. Die Forscher_innen der Ohio State University konzentrierten sich aber auf die so genannte "Kalibrierungshypothese", die besagt, dass die Ekelempfindlichkeit sich mit der Zeit und den Umständen ändert. Und sie fanden Belege dafür in mehreren Umfragen. Neun davon fanden zwischen Ende 2018 und Juni 2020 statt - also vor Corona - bei denen etwa 2.300 Teilnehmer_innen nach ihrer Ekelempfindlichkeit befragt wurden.
Im späten Frühjahr 2020 gab es weitere Umfragen mit jeweils 500 Personen aus den ersten Gruppen, in denen die Teilnehmer_innen zu ihren Einstellungen und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Pandemie befragt wurden - einschließlich der Frage, wieviel Angst sie vor einer Ansteckung mit COVID-19 hatten.
*Mehr Ekelgefühle durch Angst vor Covid-Ansteckung*
Das Ergebnis: "Der Anstieg der Ekelempfindlichkeit beschränkte sich tatsächlich auf die Menschen, die sich Sorgen um eine Ansteckung mit COVID-19 machten." Vor der Pandemie lag die durchschnittliche Ekelempfindlichkeit bei 2,82, während der Pandemie stieg dieser Wert auf 3,26. Die Menschen fühlten sich aber nicht nur von Szenarien abgestoßen, die mit Krankheiten zu tun hatten, sondern auch von anderen Dingen, zum Beispiel Urin-Geruch in einer Unterführung, oder der Anblick von jemandem, der Ketchup auf Vanilleeis gibt. Für die Forschenden ein klares Zeichen dafür, dass das gesamte Ekelempfindlichkeitsprofil durch die Pandemie erhöht war.
"Eine Frage in der Studie war, wie sehr man sich ekeln würde, wenn man in einem Aufzug sitzt und jemand neben einem niest. Eine andere Frage war, ob man sich vor dem Verzehr von Schokolade in Form von Hundekot ekeln würde - was nichts damit zu tun hat, dass man mit anderen Menschen interagiert und sich eine Krankheit zuzieht", so Studienautor Boggs.
Sein Kollege Fazio merkte an, dass die erhöhte Sensibilität auch deutlich wurde, als die Teilnehmer gebeten wurden, verschiedene visuelle Bilder zu bewerten, die mit Ekel zu tun haben, wie etwa verdorbenes Fleisch das von Maden befallen war. Diejenigen, die mehr Angst vor einer Covid-Ansteckung hatten, fanden die Bilder unattraktiver - was bedeutet, dass die Wirkung über die mit der Bewertungsskala gemessenen Punkte hinausging.
Was die Langzeitwirkung betrifft, geben die Forschenden jedoch Enwarnung: die Ekelempfindlichkeit von Menschen, die Angst haben, krank zu werden, werde sich an das Niveau vor der Pandemie anpassen, sobald die schlimmsten Bedrohungen durch das Virus nachließen.
"Ständig Ekel zu empfinden, ist kein angenehmer Zustand. Es ist ein sehr wachsames Gefühl", so Fazio. "Ich vermute, wenn wir die Menschen ein oder zwei Jahre nach der Pandemie erneut kontaktieren würden, wäre ihr Ekelgefühl wahrscheinlich wieder gesunken. Wenn die Bedrohung nachlässt, dann sollte vermutlich auch die Ekelempfindlichkeit nachlassen".
Die Forschungsergebnisse werden in der Februarausgabe 2022 der Zeitschrift Personality and Individual Differences veröffentlicht.