Curious Tides
Die Gezeiten-Dilogie, Band 1
Autorin: Pascale Lacelle
Übersetzt von: Bea Reiter
Emory ist eher eine mittelmäßige Heilerin und steht immer ein wenig im Schatten ihrer Freundin Romie, die nicht nur begnadet begabt, sondern auch sonst schillernd und beliebt ist. Darum wird Emory auch nicht nur von Trauer, sondern auch von Schuldgefühlen geplagt, als ein paar der begabtesten Schüler:innen des Aldryn College für Mondmagie, darunter Romie, bei einem mysteriösen Ritual ums Leben kommen und Emory, die nur unbeabsichtigt dabei ist, auf ebenso mysteriöse Weise als einzige überlebt. Seit diesem Tag ist nichts mehr, wie es war. Ein merkwürdiges Symbol erscheint an ihrem Handgelenk und Emory entdeckt beängstigende und gefährliche Fähigkeiten an sich, die es eigentlich nicht geben dürfte.
Ihr Freund Baz versucht ihr so gut es geht zu helfen, die seltsamen Kräfte im Zaum zu halten. Auch der geheimnisvolle und anziehende Keiran interessiert sich für ihre unheilvolle Begabung und auch er trägt das seltsame Symbol am Handgelenk. Emory stellt Nachforschungen an, hat ihre Freundin einen Hinweis hinterlassen? Was hat es mit dem Lied der ertrunkenen Götter auf sich? Und warum wurden eigentlich nie die Leichen der vermissten Schüler:innen gefunden? Geheimnisse über Geheimnisse.
Der eher ruhig erzählte Roman ist sehr stimmungsvoll und düster - beginnt er doch gleich mit einem Haufen ertrunkener Schüler:innen. Die Mondmagie, die die Basis von Lacelles fantastischer Welt bildet, ist originell und poetisch beschrieben. Ein echter Pluspunkt, dass man hier nicht denkt, man hätte das schon tausendmal gelesen.
Festzuhalten ist aber, dass das Buch (wohlgemerkt Band 1 einer Dilogie) vor allem in der ersten Hälfte ziemliche Längen hat. Mit über 600 Seiten ist es auch seitenmäßig ein Schwergewicht und es ist leider kein Buch, bei dem die Seiten nur so dahinfliegen oder in das man direkt hineinspringt. Stattdessen beginnt die Handlung zäh und die Figuren sind zu Beginn wenig plastisch. Tatsächlich fiel es mir eher schwer, mich mit ihnen zu identifizieren oder mitzufühlen - überhaupt erscheinen mir die Beziehungsgeflechte sehr klischeehaft - hier der nerdige nette Junge, dort der geheimnisvolle dunkle Typ. Emory fand ich nicht besonders symphatisch und echte Gefühle stellen sich irgendwie nicht ein, jedenfalls nicht so, dass sie sich auf mich übertragen hätten. Das hat mich nicht so gestört, da ich kein Riesenfan von Romantasy bin, die romantischen Beziehungen stehen hier nicht so sehr im Vordergrund, auch wenn sie natürlich auch für den Verlauf der Geschichte eine Rolle spielen (und vermutlich noch werden).
Ab der Mitte nimmt das ganze zum Glück an Fahrt auf und die ein oder andere (mehr oder weniger) überraschende Wendung sorgt zumindest für Spaß am Weiterlesen. Trotzdem frage ich mich manchmal, ob wirklich diese 600 Seiten nötig gewesen wären, da sie wirklich nur teilweise Lesevergnügen waren. Band 1 endet dann mit "Die Geschichte hat gerade erst begonnen". Ich dachte mir nur "echt jetzt?"!
Ich will trotzdem schon wissen, wie es weitergeht, und hoffe, dass der 2. Band nicht wieder mit solchen Längen beginnt, sondern direkt ins Geschehen einsteigt.
Ich bin mir sicher, dass alle, die auf etwas düstere und geheimnisvolle Dark-Academy-Fantasy stehen und mal was abseits von Elfen, Elben und Vampiren lesen möchten, sehr viel Freude an dem Buch haben werden. Auf jeden Fall benötigt man vor allem in der ersten Hälfte einen langen Atem!
Das Buch ist außerdem sehr schön gestaltet, mit Farbschnitt und schönen Illustrationen.
Autorin / Autor: luthien - Stand: 8. April 2024