Der Roman „Cursed – Die Auserwählte“ geschrieben von Tom Wheeler und illustriert von Frank Miller ist ein Roman, der an die Artussage angelehnt ist. Der erste wichtige Unterschied ist, dass die Person, die im Mittelpunkt der Geschichte steht, nicht Artus – oder Arthur – ist, sondern Nimue, die in der „originalen“ Sage eher eine Nebenrolle spielt. Das ist schon der erste Hinweis, dass diese Erzählung nicht dem gewöhnlichen Muster folgt. Nimue ist keine Prinzessin, die gerettet werden muss oder ein armes Bauernmädchen, das die Gunst eines schönen Prinzen erwirbt. Nein, sie ist eine dem magischen Volk der Fey entstammende, wütende junge Frau, vor der sich viel mehr in Sicherheit gebracht, als dass sie behütet werden muss. Sie hat eine starke Verbindung zu den sogenannten „Verborgenen“, was für sie zugleich Fluch und Segen ist. Die meisten ihrer eigenen Leute fürchten sie – und das nicht ganz zu Unrecht. Doch dann wir ihr Volk von einer größeren Bedrohung heimgesucht und Nimue fällt ein Schwert in die Hand, das ihre Kräfte noch zu verstärken scheint. Sie will es aber nicht behalten, sondern einer anderen altbekannten Persönlichkeit überbringen. Mehr will ich erst einmal nicht verraten. Gesagt sei, dass noch viele Charaktere der Artussage eine Rolle spielen, wenn auch unter anderen Namen und in anderen Konstellationen als erwartet. Manche „wahren“ Namen werden auch erst nach und nach preisgegeben und wenn die Artussage (zumindest in Grundzügen) bekannt ist, macht es Spaß, diese neuen Interpretationen und Gruppierungen kennenzulernen.
Das Buch ist sehr blutig, ich würde es daher eher erfahrenen Lesenden empfehlen, die so etwas nicht zu sehr abschreckt. Ich bin eigentlich nicht so ein Fan von bluttriefenden Beschreibungen, da sie auf mich oft sehr gewollt wirken. In diesem Fall habe ich es jedoch als angemessen empfunden, da gleichzeitig die Schrecklichkeit von Krieg und Gewalt deutlich gemacht wird. Während ich bei vielen Büchern und Verfilmungen, in denen Kämpfe eine wichtige Rolle spielen, oft das Gefühl habe, dass Gewalt zum Teil schon verherrlicht wird oder zumindest als etwas aufregendes und spannendes dargestellt wird, habe ich es bei diesem Buch eher als Anti-Kriegs-und-Gewaltbotschaft gelesen. Das liegt vermutlich daran, dass auch eben das thematisiert wird: Sollte Gewalt mit Gewalt bekämpft werden? Wofür lohnt es sich (mit Gewalt) zu kämpfen? Gibt es andere Optionen? Auch werden große Themen wie Führerschaft, Macht, Rassismus, Diskriminierung und Feminismus angesprochen. Es gibt viele starke, weibliche Charaktere. Sie sind zwar alle nicht durchweg sympathisch, aber authentisch und keinen Klischees entsprechend. Generell gibt es keinen Charakter ohne Fehler und Makel – wie im echten Leben. Das finde ich andererseits gut (weil realistisch), aber mir hat trotzdem irgendwie ein Charakter gefehlt, mit dem ich mich mehr identifizieren und mitleiden kann.
Am spannendsten fand ich noch die Teile, die aus Nimues Sicht beschrieben wurden. Es gab jedoch auch Teile aus Sicht anderer Charaktere, die vieles erklärt und mehr Sichtweisen eröffnet haben, manchmal fand ich es aber auch zu viel. Es ist zwar auch kribbelnd mit den Charakteren mitzuleiden, wenn klar ist, dass es sich um ein einfaches Missverständnis zwischen zwei Personen handelt oder geheime Pläne offenbart werden, aber ab und zu macht es auch den Reiz aus eben nicht zu wissen, was die anderen Handelnden wirklich denken, empfinden und planen. Was mich außerdem gestört hat, ist dass die Handlung der „Guten“ meistens noch nachvollziehbar ist – egal ob ethisch vertretbar oder nicht – die der „Bösen“, aber einfach nur… nun ja, böse ist und nicht wirklich dargestellt wird, wie es zu der Grausamkeit kommt, außer dass sie im Namen des Glaubens geschieht (was mir jedoch wirklich nicht als Grund genügt, da es mehr als genug Gläubige gab und gibt, die keine Verbrechen im Namen ihrer Religion begingen/begehen). So viel zum geschriebenen Inhalt. Die Illustrationen sind zum größten Teil schwarz-weiß, es gibt aber auch ein paar farbige. Sie sind in dem typischen Stil von Frank Miller (Sin City) gehalten und haben schon einen gewissen Comic-Superhelden-Touch. Sie passen nicht immer hundertprozentig zu dem wortwörtlich Beschriebenen und sind etwas „grob“, aber so was ist ja auch immer Interpretationssache. Ich habe mich trotzdem jedes Mal auf die nächste Zeichnung gefreut. Etwas irritierend (und auch spoilernd) ist, dass manche Bilder vor der Situation, von der sie handeln, kommen. Weil es jedoch viele überraschende Plot-Twists gibt, ist es trotzdem meist schwer vorauszuahnen, was genau die Illustration jetzt zeigt.
Insgesamt fand ich dieses düstere Buch sehr packend und es hat mir Lust auf die Serie gemacht, die bald auf Netflix erscheinen soll, um zu sehen wir die Geschichte und die Charaktere dort umgesetzt werden. Auch will ich mich jetzt noch (einmal) mehr mit der Artussage und anderen Nacherzählungen auseinandersetzen. Der Roman endet so, dass er wohl als Auftakt für eine Reihe zu verstehen ist. Empfehlen würde ich das Buch an (Dark)Fantasyfans, die Geschichten in dem Stil von „Das Lied von Eis und Feuer“ (besser bekannt als „Game of Thrones“ 😉) mögen, mit Intrigen, Gewalt und einem Hauch Verzweiflung.
*Erschienen bei Tor*
Autorin / Autor: Johanna - Stand: 5. Juni 2020