Das Nest
Autor: Kenneth Oppel
Illustration: Jon Klassen
übersetzt von Jessika komina und Sandra Knuffinke
ab 11 Jahren
Steves kleiner Bruder Theodor kommt mit einem Herzfehler zur Welt und auch sonst scheint mit ihm einiges nicht in Ordnung zu sein. Die Ärzte rätseln und die Eltern leiden. Für Steve ist das sehr anstrengend, denn die Eltern haben kaum Zeit für ihn und sind oft niedergeschlagen, dabei haben er und seine Schwester auch so ihre Probleme. Die Schwester telefoniert regelmäßig über ein altes Telefon mit Herrn Niemand und Steve geht ständig Listen durch, da er unter zwanghaften Ängsten leidet. Eines Tages wird Steve von einer ungewöhnlichen Wespe gestochen, die von da an in seinen Träumen Kontakt mit ihm aufnimmt. Sie schlägt vor, das kranke Baby durch ein gesundes zu ersetzen. Für Steve ist das ein verlockender Deal, denn dann hätten seine Eltern endlich weniger Sorgen und mehr Zeit für ihn. Aber irgendwann dämmert ihn, dass Theo nicht einfach ausgetauscht werden darf. Als Steve ins Wanken gerät, sind die Wespen gar nicht mehr so freundlich.
Dieses Buch wird ab 11 Jahren empfohlen. Ich finde es für dieses Alter eindeutig zu gruselig. Ich habe selbst Unbehagen bei Wespen und fand das Szenario teilweise schon horrorfilmartig. Die Wespen versuchen in Steves Haus einzudringen, dringen durch alle Ritzen, während er verzweifelt versucht sich und das Baby mit Klebeband, Insektenspray und einem Messer zu schützen, das ihm der vierfingrige Messermann hat zukommen lassen. Die Wespen wollen den kleinen Bruder holen, um ihr eigenes Im Nest groß gezogenes Baby in die Wiege zu legen. Und das Schicksal, das dann den kleinen Theodor ereilen soll, ist nicht weniger schrecklich.
Es ist ein wirklich schauriges Buch, ebenso düster sind die wirklich wunderschönen Illustrationen von Jon Klassen, die aber erst recht dazu beitragen, eine unheimliche Atmosphäre zu kreieren, denn auf ihnen sieht man nie ganze Menschen, sondern nur Körperteile, Stimmungen und natürlich Wespen. Es ist aber kein Buch, das ein Gruselroman sein will, sondern es hat natürlich eine tiefere Botschaft, die auch gut rüberkommt.
Der Autor, der selbst eine Tochter mit Down Syndrom hat, hat in einem Interview zu dem Buch gesagt, dass es ihm vor allem darum gegangen sei, den Perfektionswahn unserer Gesellschaft zu hinterfragen. Diese sei auf ungesunde Weise besessen von Perfektion: "Perfekte Häuser und Autos und Körper, perfekte Partner und perfekte Babys und Kinder." Dabei seien diese Dinge unmöglich und würden niemanden glücklich machen. Ironischerweise seien es die "Makel und Verletzlichkeiten der Menschen, die oftmals zu ihren größten Stärken" würden. Genau das ist die Botschaft dieses Buches, die mir auch sehr gefallen hat. Nur finde ich sie in dieser Form für jüngere Kinder ungeeignet.
*Fazit*: Ein unheimliches und sehr atmosphärisches Buch mit düsterer Bildsprache, aber einer schönen Botschaft. Eher für Jugendliche und Erwachsene als für Kinder! Besonders empfehlenswert für alle, die sich nicht "normal" fühlen und schon gar nicht perfekt.
*Erschienen bei Dressler Verlag*
Deine Meinung zu diesem Buch?
Autorin / Autor: merceda - Stand: 8. März 2016