Der gescheiterte Johnny Depp Effekt
Androgyne Gesichter werden attraktiver gefunden - solange sie nicht einem eindeutigen Geschlecht zugeordnet werden müssen
Männliche Gesichter, die auch weibliche Züge aufweisen, werden oft als besonders attraktiv eingestuft. Das zumindest besagt der sogenannte Johnny-Depp-Effekt. Aber gibt es den wirklich? Offenbar hängt das stark von der Situation ab. Forscherinnen verschiedener amerikanischer Universitäten haben den Johnny Depp Effekt genau unter die Lupe genommen und dabei herausgefunden, dass die Attrakivitätsbewertung auch davon abhängt, ob man dem Gesicht ganz unvoreingenommen entgegensieht oder man es einem eindeutigen Geschlecht zuordnen muss wie hier in diesem Experiment. In den Experimenten wurden Testpersonen gemorphte Gesichter vorgelegt, also Gesichter, die am Computer künstlich aus zwei unterschiedlichen Gesichtern - hier einem männlichne und einem weiblichen - zu einem verschmolzen wurden.
Die Testpersonen sollten bewerten, wie attraktiv sie die Gesichter einstuften, wurden aber teilweise aufgefordert, sich vor der Bewertung festzulegen, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelte.
Wenn auch grundsätzlich die gemorphten Gesichter mit einem höheren weiblichen Anteil als attraktiver eingestuft wurden als die anderen, waren die Testpersonen eher ablehnend gegenüber den "gemischten Gesichtern", wenn sie sich zuvor auf ein Geschlecht hatten festlegen müssen.
Das bestätigte sich auch ein einem weiteren Experiment, wo die Gesichter mal aus männlichen und weiblichen Teilen und im Vergleich aus asiatischen und kaukasischen Gesichtszügen gemorpht wurden. Mussten die Testpersonen sich vor der Bewertung auf ein Geschlecht festelegen, fiel diese eher zugunsten der eindeutig männlichen oder weiblichen Gesichter aus als ohne Festlegung. Mussten sie sich darauf festlegen, ob es sich um ein eher asiastisches oder eher kaukasisches Gesicht handelte, hatte das keinen negativen Einfluss auf die Attraktivitätsbewertung der gemischten Gesichter.
Früher wurde häufig argumentiert, die Wahrnehmung von Attraktivität hänge bei Frauen stark von ihrem hormonellen Status ab, je nachdem ob sie gerade auf der Jagd nach den besten Genen oder nach einem liebevollen Versorger für ihren Nachwuchs sind. Diesem steinzeitlichen Erklärungsansatz setzen die Wissenschaftler_innen dieser Studie nun entgegen, dass das Empfinden von Attraktivität durchaus auch durch Denkprozesse beeinflusst wird. Müssen wir ein Gesicht erstmal in die Kategorien "Mann" oder "Frau" einsortieren, dann beeinflusst das unser sponanes Gefühl zu diesem Gesicht in negativer Weise. Wenn uns die Einordnung schwer fällt, dann bevorzugen wir eindeutige Gesichter und bewerten sie auch positiver. Vielleicht auch, weil es sich unser Gehirn lieber leicht macht?
Dementsprechend könnte man darüber nachdenken, was die Katgeorien Mann und Frau überhaupt für einen Nutzen haben und ob sie nicht manchmal einfach nur den wunderbaren Moment zerstören, in ein schönes Gesicht zu schauen, das beides sein könnte.
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 9. März 2016