Es ist ein schmales Buch mit rund 400 Seiten, die schwarz-roten Buchdeckel zeigen nur ein Schattenspiel der Saugnäpfe eines Oktopus. In weißen Lettern, deren Überlappungen einen 3D-Effekt erzeugen, steht, fast das ganze Frontcover einnehmend, der Titel „Der neunte Arm des Oktopus“.
Der Thriller der Drogeriemarktgründers Dirk Rossmann, wirkt schon optisch beunruhigend, und doch fällt es schwer, den Blick zu lösen.
Der Klappentext verspricht dabei einen Thriller der anderen Art. Statt Psychoterror im Taschenformat, Bergen von Leichen und einem psychotischen Protagonisten wird hier wortwörtlich global gedacht. Rossmann befasst sich nämlich auf literarischem Weg mit der Thematik Klimawandel, in einem Worst-Case-Szenario, das auch die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit nicht außen vor lässt – unterschwellige und klar benannte Bezüge zur aktuellen Corona-Pandemie kommen dem Leser ebenso bekannt vor, wie der ein oder andere Name.
Um die Ungewisse Katastrophe im Zuge des Klimawandels im letzten Moment abwenden zu können, greifen die Supermächte Russland, China und USA auf ein verzweifeltes Mittel zurück – die Etablierung einer neuen Weltregierung, eine Art Klimaallianz, deren Maßnahmen massive Auswirkungen auf die Weltbevölkerung haben. Während nicht nur der große, unförmige Schemen des Klimawandels als Antagonist zu bekämpfen ist, heben sich auch Gegner der Klimaallianz hervor, die rücksichtslos und zu allen Mitteln bereit sind, um ihre eignen Vorstellungen und Ideale durchzubringen. Die Welt taumelt von Beben zu Beben, erschüttert von kriegerischen Auseinandersetzungen und dem Versuch, zu spät das richtige zu tun, und schließlich hängt das weltliche Schicksal an zwei Menschen, die lieber im Hintergrund bleiben und Befehle annehmen, statt zu führen.
Ich war dem Buch gegenüber sehr skeptisch, da ich ehrlich davon ausgegangen bin, dass dieses Gedankenspiel auf globaler Ebene eine Nummer zu groß ist, gerade in Bezug auf eine so sensible und dringende Thematik wie dem Klimawandel. Objektiv betrachtet ist auch der Roman selbst mehr Sachbuch als Unterhaltungsliteratur – pickepacke voll mit Daten und Fakten zu CO2 Emission, Wasserverbrauch, Artensterben, und und und. Alles Zahlen und Fakten die, wenn wir ehrlich sind, sehr real und vor allem sehr bekannt sind. Nur, dass sie hier allesamt in einen Raum gesperrt wurden. Keine kleinen, leichtverdaulichen Häppchen, die man mal eben so beiseite wischen kann. Sie springen dem Leser mit geballter Kraft entgegen und umklammern ihn mit zu vielen Armen. Wie ein Oktopus, wenn man so will.
Im Grunde erzählen sich die Charaktere oftmals nur Dinge, die eigentlich beiden Parteien als Wissensbasis gemein sind, und der Zweck der Dialoge ist daher nur, den Leser auf den gleichen Wissenstand zu bringen.
Das klingt jetzt erstmal alles trocken und wenig fesselnd, und dennoch: „Der neunte Arm des Oktopus“ überzeugt – und regt definitiv zum Nach- und Umdenken an. Obwohl stellenweise doch sehr prophetisch – biblisch möchte ich gar sagen - ist es gelungen, ein Szenario aufzubauen, dass den Leser mitreißt und mitfiebern lässt. Da die Thematik aber doch sehr schwer wiegt, ist mir der Lösungsansatz doch etwas zu kurz gedacht und zu simple gestrickt. In diesem Punkt ist es klar ein Unterhaltungswerk. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen (oder vielleicht hoffe ich nur darauf), dass es die/den ein oder anderen LeserIn dazu anregt, sich näher mit der Klimathematik auseinanderzusetzen und das eigene Verhalten zu überdenken.
Von mir gibt es zumindest eine Leseempfehlung mit 3,9/5 Sternen.
*Erschienen bei Bastei Lübbe*
Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 5. März 2021