Der Salon der kühnen Frauen

Autorin: Clare Pollard
Ins Deutsche übersetzt von Anke Caroline Burger

Clare Pollards zweiter Roman spielt im frühen 18. Jahrhunderts zur Zeit von Ludwig dem XIV in Versailles und Paris. Er begleitet die Teilnehmer:innen eines Lesekreises, die sich jeden Monat treffen, um sich Märchen zu erzählen, die auf den ersten Blick vielleicht banal wirken, aber mit einem sozialkritischen Blick die absolutistische Gesellschaft kritisieren. Manche dieser Märchen sind eigene Kreationen der Teilnehmer:innen, andere wurden schon seit Jahrhunderten weitergegeben. Zunächst scheint der Lesekreis besonders für die weiblichen Adeligen ein Rückzugsort zu sein, in dem sie zumindest verdeckte Kritik an der Gesellschaft äußern können, doch dann werden die Damen der Runde nacheinander von kritischen Augen ins Visier genommen.

Der Schreibstil des Romans ist einfach zugänglich und macht einem den Einstieg ins Buch leicht. Die Erzählperspektive wechselt von Kapitel zu Kapitel und folgt den verschiedenen Mitgliedern des Lesekreises. Dadurch bekommen die Leser:innen schnell einen umfassenderen Blick vom Geschehen in Versailles. Besonders interessant ist auch, wie die verschiedenen Personen durch ihre Lebenserfahrung unterschiedlich auf Ereignisse um sie herum reagieren, manche naiv und leichtgläubig, andere weise und kalkuliert. Zusätzlich gibt es auch eine allwissende Erzählerin, die die Lücken in der Geschichte füllt und oft mit satirischem Ton die opulenten Zustände in Versailles kommentiert, dabei spricht sie auch oft die Leser:innen direkt an.

Auch die Sprache, die mit Metapher und Vergleichen gespickt ist, lässt die Leser:innen sich das beschriebene bildlich vorstellen. Besonders die paradoxe Welt von Versailles mit all ihrem grotesken Überfluss und absurden Traditionen erscheint einem geradezu vor den Augen beim Lesen. Der Roman ist allerdings auch sehr explizit geschrieben und gibt dadurch auch einen genauen Blick auf die dunklen Seiten dieser opulenten Welt und wie besonders die Frauen, die in dieser Gesellschaft nur zum Kinder gebären geduldet werden, darunter leiden müssen.

Die erstaunliche historische Genauigkeit des Buches macht es auch sehr spannend, da die meisten der Charaktere wirklich existierten und tatsächlich Märchen veröffentlichten, die bis heute sehr bekannt sind.
Die Handlung des Romans ist nicht vollständig chronologisch, da die fortlaufende Handlung oft durch Rückblicke und erklärende Exposition unterbrochen wird, oder den Ort des Geschehens wechselt. Dies macht die Geschichte meiner Meinung nach zwar interessanter, aber ist gleichzeitig auch etwas verwirrend.

Besonders die Rolle der adeligen Frau, die zwar alles besitzt, was sie begehrt, aber von ihrer Rolle in dieser Gesellschaft extrem eingeengt wird, ist hier sehr gut dargestellt. Hierbei werden viele verschiedene Aspekte beleuchtet, von Sexualität über Gewalt in der Ehe und fehlende Unabhängigkeit. Dabei sind besonders die verschiedenen Erzählperspektiven hilfreich.

Meiner Meinung nach fällt das Ende allerdings etwas flach. Bei einigen Figuren fehlte mir die Tiefe um ihre späteren Aktionen nachvollziehen zu können und zum Schluss wurden sie beinahe ignoriert.
Ich würde den Roman trotzdem empfehlen, da ich ihn insgesamt gelungen finde. Man kann schnell in die geschaffene Welt eintauchen und obwohl schwere Themen behandelt werden, sind sie stets ausbalanciert mit einer gewissen Leichtigkeit und Humor. Allerdings würde ich auf die teils sehr vulgäre Sprache hinweisen, die für manche vielleicht irritierend sein könnte.

Erschienen bei Aufbau

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Autorin / Autor: Martha - Stand: 19. Juni 2024