Laut einer US-amerikanischen Studie begrenzen Smartphones & Co nicht die soziale Kompetenz
"Leg das Ding weg! Mach den Bildschirm aus! Man kann ja gar nicht mehr mit dir reden..." Viele Erwachsene sorgen sich um die emotionale Entwicklung ihrer Kinder angesichts der zunehmenden Zeit, die sie vor Bildschirmen verbringen. Aber stimmt die Annahme, dass die "Jugend von heute" deshalb unsozialer geworden ist? Eine gerade erschienene Studie bezweifelt das und fand heraus, dass Jugendliche heute trotz der Zeit, die sie mit Smartphones und sozialen Medien verbringen, genauso sozial kompetent sind wie vorherige Generationen.
Die Forscher_innen der Ohio State University verglichen in der Studie Bewertungen von Lehrkräften und Eltern von Kindern, die 1998 - sechs Jahre vor dem Start von Facebook - in den Kindergarten kamen, mit denen, die 2010, als das erste iPad auf den Markt kam, in die Schule kamen. Die Ergebnisse zeigten, dass beide Gruppen von Kindern in Bezug auf zwischenmenschliche Fähigkeiten wie zum Beispiel Freundschaften zu schließen und zu pflegen und mit Menschen, die anders sind, auszukommen, ähnlich bewertet wurden. Auch ihr Vermögen, sich zu beherrschen und ihr Temperament zu regulieren, wurde ähnlich bewertet. "Bei praktisch jedem Vergleich, den wir anstellten, blieben entweder die sozialen Fähigkeiten gleich oder stiegen bei den später geborenen Kindern sogar bescheiden an", sagt Douglas Downey, Hauptautor der Studie und Professor für Soziologie an der Ohio State University.
*Streit führte zur Studie*
Die Idee für die Studie kam Downey vor einigen Jahren, als er mit seinem Sohn Nick in einem Pizzarestaurant darüber stritt, ob die sozialen Fähigkeiten der neuen Jugend-Generation abgenommen hatten. "Ich fing an, ihm zu erklären, wie schrecklich seine Generation in Bezug auf ihre sozialen Fähigkeiten war, wahrscheinlich deshalb, weil sie so viel Zeit damit verbrachten, auf Bildschirme zu schauen", sagte Downey. "Nick fragte mich, woher ich das wüsste. Und als ich nachsah, gab es wirklich keine soliden Beweise." Daraufhin beschloss Downey zusammen mit seinem Kollegen zu ermitteln. Für ihre Studie verwendeten sie Daten aus der Early Childhood Longitudinal Study (ECLS), die vom National Center for Educational Statistics durchgeführt wird. Die ECLS begleitet Kinder vom Kindergarten bis zur fünften Klasse. Die Forscher verglichen die Daten der ECLS-K-Kohorte, also Kinder, die 1998 in den Kindergarten kamen (19.150 Schüler_innen), mit der Kohorte, die 2010 in den Kindergarten kam (13.400 Schüler_innen).
Die Kinder wurden von den Lehrkräften zwischen dem Beginn des Kindergartens und dem Ende der fünften Klasse sechs Mal beurteilt. Zu Beginn und am Ende des Kindergartens und am Ende der ersten Klasse wurden sie von den Eltern bewertet.
*Keine soziale Beeinträchtigung*
Aus der Perspektive der Lehrkräfte hatten die sozialen Fähigkeiten der Kinder zwischen den Gruppen 1998 und 2010 nicht abgenommen. Und das blieb auch so bis zur fünften Klasse. Es zeichnete sich sogar ab, dass die Bewertungen der Lehrer_innen bezogen auf die zwischenmenschlichen Fähigkeiten und die Selbstkontrolle der Kinder in der Kohorte 2010 tendenziell etwas höher ausfiel als in der Gruppe von 1998. Sogar die Kinder, die am meisten Zeit vor dem Bildschirm verbracht hatten, zeigten eine ähnliche Entwicklung ihrer sozialen Fähigkeiten wie diejenigen mit geringer Bildschirm-Exposition. Die einzige Ausnahme bildeten Kinder, die mehrmals täglich auf Online-Spiele und Social-Networking-Seiten zugriffen - bei ihnen fielen die sozialen Fähigkeiten etwas geringer aus. "Aber selbst das war ein ziemlich kleiner Effekt", sagte Downey. "Insgesamt fanden wir nur sehr wenige Hinweise darauf, dass die am Bildschirm verbrachte Zeit bei Kindern die sozialen Fähigkeiten beeinträchtigte", so der Forscher.
*Sorgen über die jüngere Generation uralt*
"In meinem Alter neigt jede Generation dazu, sich Sorgen um die jüngere Generation zu machen. Das ist eine alte Geschichte", erklärt Downey. Da komme ein Art "moralische Panik" wegen neuer Technologien auf. Erwachsene seien immer besorgt, dass ein technologischer Wandel traditionelle Beziehungen, insbesondere die Eltern-Kind-Beziehung, untergraben könnte. Auch die Einführung von Telefonen, Autos und Radio hätte zu einer moralischen Panik unter den Erwachsenen jener Zeit geführt, weil die Technologie den Kindern mehr Autonomie ermöglicht habe. Die Angst vor der bildschirmbasierten Technologie sei wahrscheinlich die jüngste Panik als Reaktion auf den technologischen Wandel.
*Erfolgreich kommunizieren*
Was die neuen Generationen lernen: gute soziale Beziehungen zu haben heißt, dass man in der Lage ist, sowohl von Angesicht zu Angesicht als auch online erfolgreich zu kommunizieren, so Downey. "Man muss wissen, wie man sowohl per E-Mail, auf Facebook und Twitter als auch von Angesicht zu Angesicht kommunizieren kann. Wir haben uns in dieser Studie nur mit den sozialen Fertigkeiten von Angesicht zu Angesicht befasst, aber zukünftige Studien sollten sich auch mit den digitalen sozialen Fähigkeiten befassen".