Die Königin der Schatten - Verflucht

Autorin: Erika Johansen
Aus dem Englischen von Sabine Thiele

Buchcover Die Königin der Schatten

Nachdem ich den ersten Teil der Trilogie "Die Königin der Schatten" gelesen hatte, habe ich ernstlich am Geschmack Emma Watsons gezweifelt, die auf dem Buchrücken für das Buch schwärmt. Ich fand es nämlich keineswegs ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann, sondern ein ziemlich zähen und langatmigen Fantasyroman, der zwar eine vielversprechende Story hat, aber mit farblosen Figuren und langweiligen Beschreibungen niemanden vom Fantasy-Hocker reißt. Im zweiten Teil aber nimmt die Handlung endlich an Fahrt auf und auch die Figuren werden plastischer. Und nun kommt auch - etwas überraschend - die zweite Ebene richtig ins Spiel, die sozusagen in der Vergangenheit, in etwa unsere Zeit, spielt.

Kelsea müht sich, ihre Rolle als Königin auszufüllen und die drohenden Konflikte, die sie selbst heraufbeschworen hat, im Zaun zu halten. Ein Krieg bahnt sich an, den sie nicht gewinnen kann, aber gleichzeitig erkennt sie auch die Macht ihrer seltsamen magischen Steine, an denen auch die rote Königin sehr interessiert scheint.
Parallel dazu erfahren wir vom Schicksal der Lili Matthew, die in der hochtechnologisierten, gesellschaftlich aber wenig fortschrittlichen Zeit vor der "Überfahrt" lebt und unter einem gewalttätigen Mann zu leiden hat, bis sie sich retten kann (oder gerettet wird).
Tatsächlich katapultiert einen dieser Seitenstrang in eine ganz andere Welt und lässt das Fantasy-Ambiente in einem ganz anderen Licht erscheinen. Der ganz Roman wird nun eher zu einer Dystopie, die mittelalterliche Atmosphäre von Kelseas Welt wird zu einer Zukunftswelt, die bei null anfangen wollte und doch wieder im dunklen Zeitalter von Folter und Sklaverei gelandet ist. Tatsächlich liest sich der Erzählstrang mit Lily wesentlich spannender und ich war immer froh, wenn Kelsea wieder diese Visionen hatte. Warum Kelsea ständig Lily vor Augen hat und wie sie mit ihr in Verbindung steht, deutet sich an, ist aber ein Rätsel, das dann wohl erst der dritte Band lösen wird.

Insgesamt ist der zweite Band wesentlich spannender, die Figuren sind ausgearbeiteter und es entstehen zusätzliche Ebenen, die dem Roman mehr Tiefe geben. Dennoch ist es nicht immer leicht, die Beweggründe und Entscheidungen Kelseas nachzuvollziehen. Sie ist nicht als eindimensionaler Charakter gezeichnet, was ich gut finde, aber ihre Vielschichtigkeit ist nicht überzeugend. So ist sie einerseits stark und selbstbewusst, andererseits hadert sie ununterbrochen mit ihrem Äußeren und der Frage, ob ihre Optik für was auch immer ausreichend ist. So entstehen merkwürdige Brüche, eine Protagonistin, die sexuell selbstbestimmt ist und sich in ihrer Lüsternheit auch fast mal einem Bösewicht hingibt, sich auf der anderen Seite aber unentwegt über irgendwelche Fettpölsterchen auslässt und sich sorgt, im Königinnen-Outfit nicht standesgemäß genug auszusehen.

Der Roman bietet eine wilde Mischung aus High-Fantasy mit viel magischem Klimbim, Machtspielchen und höfischen Intrigen auf der einen Seite, und einem dystopischen Weltentwurf mit Pistolen und starken Typen, die für eine bessere Welt kämpfen auf der anderen Seite. Hinzu kommt ein bisschen Politik, Krieg und Gewalt, eine Prise Sex, Gewalt in der Ehe, ein kleiner Teufelspakt und die manchmal zerstörerische Macht magischer Artefakte.
Also eigentlich Stoff für mehrere Romane.
Schlussendlich hat mich die Geschichte aber doch noch gepackt und ich will natürlich unbedingt wissen, wie es weitergeht. Ein kunterbunter, dystopischer Fantasyroman mit Schwächen, aber starken Frauenfiguren.

*Erschienen bei Heyne*

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    Autorin / Autor: luthien - Stand: 22. Juni 2016