Einmal gefühlt, immer behalten?
Studie: Unser Gedächtnis speichert viel mehr als bisher geglaubt
Handy, Schlüssel, Jacke, Zahnbürste.. ist euch eigentlich klar, wieviel Dinge ihr tagtäglich anfasst? Meistens achten wir gar nicht darauf, wie sie sich anfühlen, und doch scheinen diese haptischen Wahrnehmungen einen großen Eindruck bei uns zu hinterlassen. Denn wenn es sein muss, erinnern wir uns an sie – und zwar nicht nur direkt nach dem Betasten der Gegenstände sondern auch eine Woche später und vermutlich noch länger. Unser Gehirn scheint hier sogar zu einer Transferleistung fähig. Denn nicht nur unsere Hände erkennen die Objekte wieder, sondern auch unsere Augen, selbst wenn diese die Objekte noch nie gesehen haben. Das haben die Regensburger Psychologen Fabian Hutmacher und Prof. Dr. Christof Kuhbandner in einer Studie herausgefunden, die nun in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht wurde. „Die allgemeine Auffassung in der Forschung ist bisher gewesen, dass von den Sinneseindrücken, die permanent auf uns einströmen, wenig dauerhaft gespeichert wird. Wir hatten aber den Verdacht, dass wir viel mehr speichern, als man bisher geglaubt hat“, erzählt Fabian Hutmacher.
Für ihre Studie baten die Wissenschaftler die Versuchspersonen 168 verschiedene Alltagsobjekte mit verbundenen Augen zu ertasten – und zwar alle 168 direkt nacheinander. Für jeden Gegenstand gab es zehn Sekunden Zeit. Die Hälfte der Gegenstände bekamen sie gleich anschließend noch einmal in die Hand, erneut mit verbundenen Augen. Der Clou: Gleichzeitig bekamen sie ein zweites, sehr ähnliches Objekt derselben Kategorie in die Hand, also beispielsweise außer der zuvor betasteten Kaffeetasse noch eine weitere, ihnen nicht bekannte Kaffeetasse. Trotzdem konnten die Versuchspersonen zu 94 Prozent richtig beurteilen, welche der beiden Kaffeetassen sie schon einmal in der Hand gehabt hatten. Bei dem gleichen Versuch mit der anderen Hälfte der Objekte eine Woche später lagen die Probanden immer noch zu 85 Prozent richtig. Und das, obwohl sie zwischendurch sicherlich viele Kaffeetassen, Gürtel oder Schuhe in der Hand gehabt haben müssen. „Um eine richtige Entscheidung treffen zu können, muss man nicht nur wissen, dass man ein Objekt schon einmal in der Hand gehabt hat. Man muss auch wissen, dass man die Tasterfahrung in einem bestimmten Kontext, nämlich dem des Experiments, gemacht hat. Die Erinnerung scheint also eine episodische Komponente zu besitzen“, meint Prof. Dr. Christof Kuhbandner.
In einem zweiten Experiment wurden den Versuchspersonen wieder die Augen verbunden. Diesmal sollten sie sich aber vermeintlich nichts merken, sondern eine ästhetische Einschätzung abgeben. Nachdem sie die Gegenstände genau abgetastet hatten, sollten sie auf einer Skala von eins bis sieben bewerten, wie angenehm oder unangenehm sich die Objekte anfühlten. Nach einer Woche wurden die Versuchspersonen dann aber gebeten, mit verbundenen Augen die Hälfte der Gegenstände und ihre Pendants erneut zu betasten und anzugeben, welches der beiden Exemplare sie schon einmal berührt hatten. Und obwohl sie sich die Gegenstände nicht bewusst eingeprägt hatten, lagen sie bei diesem haptischen Test zu 79 Prozent richtig.
Die Wissenschaftler trieben das Experiment aber noch weiter. Die andere Hälfte der Gegenstände durften die Versuchspersonen dann sehen. So lagen z. B. zwei Krawatten (die betastete und ihr Pendant), vor den Versuchspersonen auf dem Tisch. Diesmal durften die Versuchspersonen die Objekte aber nicht mehr anfassen. „Sie durften die Krawatten nur anschauen und mussten dann visuell entscheiden, welchen von beiden Gegenständen sie schon einmal in der Hand hatten – und das funktionierte auch sehr gut“, erzählt Fabian Hutmacher. Hier lagen die Versuchspersonen mit 73 Prozent ihrer Angaben richtig. „Das ist wirklich spannend“, betont Prof. Kuhbandner, „denn eigentlich ist die Farbe für den visuellen Apparat das Hauptentscheidungsmerkmal. Und trotzdem kann man den richtigen Gegenstand mit erstaunlicher Zuverlässigkeit wiedererkennen“.
Die Wissenschaftler möchten nun in der weiteren Forschung ergründen, warum der Mensch diese Fähigkeiten hat. Sie vermuten, dass über die so erhaltenen Informationen Verhalten gesteuert werden könnte. So könnte auf einer impliziten, unbewussten Ebene Lernen stattfinden.
Quelle:
Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion - Stand: 6. Dezember 2018