Einmal pusten bitte!
Studie: Der Atem eines Menschen ist so individuell wie sein Fingerabdruck und könnte auch Aufschluss über Krankheiten liefern
Einmal pusten und ich sag dir wer du bist. So oder so ähnlich könnte dein Arzt dich in Zukunft in seiner Praxis begrüßen. Der Atem verrät vermutlich mehr als tausend Worte. Denn dieser ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, so individuell wie ein Fingerabdruck, meinen WissenschaftlerInnen der ETH Zürich, die sich mit diesem näher auseinandergesetzt haben. Sie sind sich sicher, dass man bald an der ausgeatmeten Luft von Patienten Krankheiten erkennen und diese maßgeschneidert behandeln kann.
In der traditionellen chinesischen Medizin werden bereits aus dem Geruch des Atems von Patienten Schlüsse zu dessen Gesundheitszustand gezogen. Bekannt ist zudem, dass trainierte Hunde und Ratten an gewissen Krebsarten leidende Menschen anhand des Atems von gesunden unterscheiden können. In diesen Beispielen beurteilt der Mediziner oder das trainierte Tier das komplette Geruchsbild des Atems, was letztlich aber subjektiv ist. Die Wissenschaftler unter der Leitung von Renato Zenobi möchten die Atemanalyse jetzt objektivieren und die einzelnen Geruchskomponenten identifizieren. Dadurch können Ärzte in äußerst geringer Konzentration vorliegende Atem-Komponenten in die Diagnose einbeziehen.
In einer neuen Studie haben die ForscherInnen der ETH Zürich zunächst den Atem von elf Versuchspersonen untersucht. Dabei haben sie herausgefunden, dass sich der Atem bezüglich der darin enthaltenen flüchtigen Komponenten – in der Regel sind es Stoffwechselprodukte – individuell unterscheidet: Jeder Mensch hat einen charakteristischen „Atemabdruck“.
*Stabiles Muster*
Mit regelmäßigen Messungen während elf Tagen konnten die Forscher zudem aufzeigen, dass das individuelle Atemmuster konstant bleibt. „Wir haben zwar geringe zeitliche Schwankungen im Tagesverlauf gesehen, das individuelle Muster bleibt jedoch konstant genug, damit es für die medizinische Anwendung brauchbar ist“, erklärt Pablo Martinez-Lozano Sinues. Würden Messungen nämlich im zeitlichen Verlauf stark schwanken, wären sie für die Krankheitsdiagnose unbrauchbar.
Für die Messungen haben Zenobi und seine Kollegen handelsübliche Massenspektrometer umgebaut. So konnten die Versuchspersonen über ein Mundstück direkt in das Analysegerät pusten. Die Forscher erhielten auf diese Weise Hinweise auf etwa hundert Atem-Komponenten. Identifizieren konnten die Forscher beispielsweise Aceton, ein Abbauprodukt des Zuckerstoffwechsels. Von den meisten anderen Stoffen, die sie im Atem finden konnten, wissen die Wissenschaftler noch nicht, um welche Verbindungen es sich handelt. In weiterer Forschungsarbeit müssen sie die Moleküle identifizieren.
*Atemabdruck von Krankheiten*
Als Nächstes werden die ETH-Chemiker versuchen, nicht nur persönliche "Atemabdrücke" einzelner Personen zu ermitteln, sondern mit derselben Technik charakteristische Atemabdrücke von Krankheiten zu erkennen. Ein bedeutender Vorteil des Vorgehens der ETH-Forscher gegenüber Blut- und Urin-Untersuchungen ist, dass der Atemabdruck Sekunden nach der Beprobung vorliegt. Die Analysen von Urin und Blut dauern in der Regel selbst in spezialisierten Labors deutlich länger. Ein weiterer Vorteil: die Ärzte müssen nicht wie bei der Blutentnahme mit einer Nadel in den Körper (in ein Blutgefäß) eindringen. „Unser Ziel ist, die Atemanalyse dereinst auf dieselbe Ebene zu bringen wie die etablierten Blut- und Urin-Untersuchungen“, sagt Malcolm Kohler, Professor am Universitätsspital Zürich. Regelmäßige Atemproben würden sich beispielsweise auch als Frühwarnsystem für gesunde Personen mit einem bekannten Krankheitsrisiko eignen. Oder man könnte damit den Fortschritt und die Nebenwirkungen einer Therapie überwachen.
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 5. April 2013