Eiseskälte

Autor: Arnaldur Indriðason
übersetzt von Coletta Bürling
Island-Krimi

Buchcover

Mit Eiseskälte lässt der isländische Krimiautor Arnaldur Indriðason seine Leser das elfte Mal über die Schulter des Kommissars Erlendur Sveinson und seiner Kollegen aus Reykjavik blicken. Schon häufig in anderen Bänden angekündigt, erfährt man nun endlich mehr über das tragische und prägende Ereignis in Erlendurs Kindheit, bei dem er seinen Bruder verlor.

Indriðason hat für diese Geschichte allerdings einen Krimi-untypischen Einstieg gewählt, mit dem Kommissar, der fernab von Reykjavik, in den Ostfjorden, auf einen Fall stößt, der sein persönliches Interesse weckt.
In dem Buch werden drei verschiedene Zeitstränge miteinander verflochten. Da ist einmal der Erlendur aus der Gegenwart, der zurück an den Ort seiner Kindheit gekommen ist, um zu versuchen mit seiner Vergangenheit abzuschließen. In den Ostfjorden leckt er Blut und kann nicht aufhören kann, einer alten Geschichte über einen Vermisstenfall aus der Gegend nachzugehen. Bruchstückhaft erfährt man außerdem immer wieder von dem zwölfjährigen Erlendur und dem Tag, an dem sein kleiner Bruder im Schneesturm verloren ging und nie wieder auftauchte. Diese Abschnitte erklären, warum er zu dem Mann wurde, der er heute ist. Den dritten Strang bilden die Erzählungen der Leute, die Erlendur im Laufe seiner außerdienstlichen Ermittlungen befragt.
Im Grunde genommen versucht Erlendur zwei Fälle von Vermissten im Schneesturm aufzuklären. Den einen mit beißender Hartnäckigkeit, den anderen gebremst durch die unverarbeiteten Erinnerungen aus seiner Kindheit. Wird es für beide ein befriedigendes Ende geben? Kann es das nach all der vergangen Zeit noch?
Die Geschichte beginnt mit einem Ausflug der Hauptperson in die Berge, wo er sich ohne seine sonst so auszeichnende Zielstrebigkeit auf die Suche nach seinem Bruder und einem Abschluss mit den Geschehnissen von damals macht. Sobald er es sich aber in den Kopf gesetzt hat, die alte Geschichte aufzuklären, tritt für ihn seine Vergangenheit wieder etwas in den Hintergrund. Eine willkommene Abwechslung? Erlendurs Bruder wird zu einer Art Schatten, immer präsent, aber im Hintergrund. Die Ermittlung entwickelt sich nach und nach zum Hauptstrang des Buches. Trotzdem gelingt es Erlendur am Ende mehr oder weniger befriedigend beide Fälle abzuschließen. Mehr zum Inhalt möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.

Wer erwartet hat Erlendurs Kollegen zu treffen, wird enttäuscht sein, sie werden nur in einem Nebensatz erwähnt. Als Ausgleich kommt man Erlendur selber in der rauen Landschaft der Ostfjorde so nah wie nie zuvor.
Auf Grund des langsamen Einstiegs in die Geschichte merkt man zunächst auch nicht, dass man wirklich einen Krimi in den Händen hält, der sich durchaus gegen Ende mit jeder neuen Seite diesen Titel mehr verdient. Allerdings dient nicht das Verbrechen an sich als Aufhänger für die Geschichte und der Täter wird in ihrem Verlauf ermittelt. Stattdessen kristallisiert sich die eigentliche Straftat erst nach und nach heraus und legitimiert erst am Ende die Zuordnung des Buches in das Genre der Krimis.
Der Schluss ist dann natürlich doch nicht ganz so schwarz-weiß und einfach, wie man zunächst denken mag. Vielleicht ist es gut, dass Erlendur nicht in seiner Person als Kommissar in den Ostfjorden ist, sondern im Versuch, mit seiner Vergangenheit abschließen zu können.
Indriðason gelingt es, die Wahrheit hinter den Geschehnissen erst mit der Zeit preiszugeben. Das Motiv, immer doppelt hinzusehen, auch wenn alles ganz klar erscheint, zieht sich durch das ganze Buch.

Man kann dieses Buch als mittelspannenden Krimi lesen, der halt zufällig auf Island spielt. Wer nicht so der Krimi-Fan ist und das Buch nur wegen seinem Handlungsort liest, kann sich in die raue Natur Islands versenken und versuchen die Tragik hinter den Erlebnissen der Personen zu verstehen und zu deuten.
Das Buch lässt sich leicht lesen. Lediglich die eingestreuten Träume von Erlendur wirken teilweise zu übertrieben und plötzlich, sodass sie den Lesefluss ein wenig stören.
Der Autor beschreibt die Natur Islands sehr gut, ohne zu aufdringlich zu wirken, passend für einen Krimi. Eine besondere Stellung nimmt hier die Beschreibung des Schneesturms und besonders die Unterkühlung ein. Wer richtig harte Geschichten mit einem fesselnden Spannungsbogen gewöhnt ist, sollte vielleicht lieber zu einem der Thriller von Indriðason greifen. Alle anderen können Eiseskälte auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände ohne Probleme als einen untypischen Krimi genießen.


*Erschienen bei Bastei Lübbe*

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Autorin / Autor: islenski.hesturinn - Stand: 17. November 2014