"Das wächst sich schon wieder zurecht"

Eltern unterschätzen oft die Gefahr einer Essstörung ihrer Tochter

„Für so ‘nen Scheiß hab‘ ich keine Zeit“ oder „Das wächst sich schon wieder zurecht“. Solche und ähnlich drastische Begründungen lieferten Eltern, die sich weigerten, an einem therapeutischen Gespräch über eine mögliche Essstörung ihrer Tochter teilzunehmen. PsychologInnen der TU Dresden hatten mehr als 6.000 Fragebögen an über 40 Schulen in Dresden und Umgebung verteilt, um herauszufinden, wie stark das Risiko bei Jugendlichen ist, an einer Essstörung zu erkranken, und wie man Anorexia nervosa (Magersucht) vorbeugen kann.

Obwohl nur 25 Prozent der an Schulen verteilten Fragebögen ausgefüllt zurück kamen, zeigen die ersten Ergebnisse schon, dass bei ca. 15 Prozent der befragten Mädchen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer späteren Magersucht vorliegt - insgesamt wurden bislang 148 Risikofälle identifiziert. Die tatsächliche Zahl liegt aufgrund der geringen Teilnahme wahrscheinlich deutlich höher.

In der Studie werden im ersten Schritt 11- bis 17-jährige Mädchen sowie deren Eltern gebeten, einen kurzen Fragebogen zu beantworten, der Auskunft darüber geben sollte, ob ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Magersucht besteht. War dies der Fall, wurden sie zu einem ausführlicheren diagnostischen Gespräch eingeladen. Bestätigte sich das Risiko, erhielten die Eltern die Möglichkeit, an einem internetgestützten Vorsorgeprogramm teilzunehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass deren Tochter an Magersucht erkrankt.

*Was haben die Eltern davon?*
Im Vorsorgeprogramm „E@T“ (Eltern als Therapeuten) erfahren Eltern in kurzen informativen Texten, Audio- und Video-Elementen z. B. den Unterschied von normalem und problematischem Essverhalten und erhalten praktische Tipps um die Kommunikation mit ihren Töchtern zu verbessern. In einem Online-Diskussionsforum können sie anonym mit anderen Eltern in Kontakt zu treten. Eine Diplom-Psychologin gibt den Eltern individuelle Anregungen, wie sie ihrer Tochter zu einem gesunden Essverhalten zurückhelfen können. Der zeitliche Aufwand für die Eltern ist gering - eine Stunde wöchentlich, sechs Wochen lang, so die ForscherInnen.

*Hintergrund*
Zwar beginnt eine Magersucht in der späten Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Gestörtes Essverhalten, das häufig der Vorbote der Krankheit ist, kann jedoch viel früher auftreten. Deshalb lohne es sich, früh genug hinzuschauen, raten die WissenschaftlerInnen, denn hat sich einmal das Vollbild einer Magersucht entwickelt, verläuft die Essstörung oft chronisch und ist schwer zu behandeln. Etwa jede 10. Betroffene stirbt an der Erkrankung! 

Weil neben den Freunden die Eltern die zentrale Bezugspersonen der heranwachsenden Mädchen sind, könnten sie einer entstehenden Erkrankung positiv entgegenwirken. Häufig sei es für sie jedoch nicht einfach, erste Anzeichen richtig zu erkennen. Im Gegenteil: Viele Eltern fänden es sogar gut, wenn ihre Töchter sehr schlank und leistungsorientiert seien, so die ForscherInnen. Dies könne allerdings schon der erste Schritt auf dem Weg in die Erkrankung sein. „Ich war in ihrem Alter genauso dünn“ oder „Das liegt bei uns in der Familie in den Genen“, so würden sich Eltern öft äußern, wenn sie von einem erhöhten Risiko ihrer Tochter erfahren. Oft seien sie aber auch unsicher, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie merken, dass ihre Tochter ein verändertes Essverhalten an den Tag legt oder immer weiter abnimmt. Einige Eltern hätten auch Angst, durch falsches Handeln „schlafende Hunde zu wecken“ und erste problematische Verhaltensweisen zu verschlimmern. Aus dieser Befürchtung heraus würden Eltern oft erst dann aktiv, wenn ihre Tochter deutlich an Gewicht verloren hat und bereits mitten in der Essstörung steckt. Weil der Weg zurück meist viel schwieriger und langwieriger sei, möchten die Dresdener versuchen, möglichst früh in den Erkrankungsverlauf einzugreifen. Mit dem „E@T“-Programm möchten sie Eltern frühzeitige Hilfe anbieten.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 14. Dezember 2011