Anfang vom Ende der Anonymität?
Diskussion um Klarnamenzwang in sozialen Netzwerken
Joss92 mobbt ungestraft seine Klassenkameradin auf Facebook, Gina678 zieht auf SchülerVZ über ihren Lehrer her, LadyX hinterlässt rassistische Kommentare in einem Forum. Die (vermeintliche) Anonymität im Internet verlockt viele, über die Stränge zu schlagen und Dinge zu posten, unter die sie ihren wahren Namen wohl nicht schreiben würden. Betreiber sozialer Netzwerke plädieren darum neuerdings für Klarnamenzwang. So machte sich Randi Zuckerberg, die Schwester von Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg, sich kürzlich auf einer Podiumsdiskussion für die Abschaffung der Anonymität im Netz stark und auch Facebook-Konkurrent Google+ sorgte mit dem angekündigten Klarnamenzwang bei aller Begeisterung für das neue Netzwerk auch für jede Menge Kritik. Nutzer, die sich ganz offensichtlich mit einem Nickname dort registriert hatten, sollen (zumindest vorübergehend) gesperrt worden sein.
Die Betreiber argumentieren, nur so könnte Mobbern, Spammern und Trollen etwas entgegengesetzt werden.
Zweifel an den edlen Absichten der Netzwerkbetreiber sind allerdings angebracht. Schließlich macht etwa Facebook immer wieder durch seinen laxen Umgang mit persönlichen Daten von sich reden. Und sind echte Namen nicht auch mehr wert auf dem Markt der Daten als skurrile Nicknames?
*Wer schreibt, der bleibt*
Wer einmal etwas unter seinen wirklichen Namen im Netz veröffentlicht hat, dürfte auch Jahre später noch damit konfrontiert werden, auch wenn er sich schon lange von dem Inhalt distanziert hat. Das ist besonders peinlich, bei Bewerbungsgesprächen ("Wie ich sehen kann, waren sie schon mit 15 recht trinkfest?"). Da ist es doch wesentlich praktischer, einen unbequem gewordenen Nickname wieder loszuwerden und noch mal ein ganz neues Profil zu gestalten. Der Mensch wandelt sich eben. Und mit ihm seine Identität im Netz.
*Peinliche Fragen mit Klarnamen stellen?*
Befürworter von Anonymität im Netz argumentieren außerdem, dass ein Klarnamenzwang die Nutzung des Internets für politisch Verfolgte, für Menschen mit Behinderungen, psychischen Problemen oder Krankheiten, für Menschen mit Nöten, Süchten oder "peinlichen Fragen" (etwa zu Krankheiten, psychischen Störungen usw.) deutlich einschränkt. Schließlich wird unter Pseudonymen nicht nur gemobbt und gehetzt, sondern auch gewagt, Dinge zu fragen und zu sagen, die zu gefährlich oder zu persönlich sind. Nicht umsonst bieten Sorgentelefone und Beratungsstellen anonyme Beratungen an.
Bei der ganzen Diskussion scheinen auch Kinder und Jugendliche völlig aus dem Blickfeld geraten zu sein. Jeder Jugendmedienschützer warnt vor der Preisgabe persönlicher Daten. Nun plötzlich soll der Klarname sogar ein Schutz sein? Würden Eltern zulassen, dass ihre 10-, 12-, 14-Jährigen sich im Netz unter ihren wahren Namen tummeln und dort auf ewig und drei Tage die Spuren ihres jugendlichen Leichtsinns hinterlassen?
Diese Frage erübrigt sich natürlich, schließlich dürfen Minderjährige ja auch gar nicht auf Facebook & Co. Und daran halten sie sich natürlich auch sklavisch ;-).
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 5. August 2011