Erinnerungen brauchen einen Körper
Studie: Störungen bei der Selbstwahrnehmung beeinträchtigen Gedächtnis
Warum erinnern wir uns an manche Begebenheiten als wären sie erst gestern geschehen, und warum fällt uns manchmal partout nicht ein, was wir noch vor einer Stunde gemacht haben? Der Schlüssel für unsere Erinnerungsfähigkeit liegt laut neuen Forschungsergebnissen des Karolinska Institutes und der Universität Umeå vermutlich in unserer Körperwahrnehmung. Um neue Erinnerungen aus unserem Leben zu speichern, müssen wir offenbar fühlen, dass wir uns im eigenen Körper befinden, sagen die schwedischen ForscherInnen. Sie konnten nun nachweisen, dass Menschen, denen man mithilfe von Technik vorgaukelt, außerhalb ihres Körpers zu sein, eine Form von Gedächtnisverlust erleiden - sebst bei spannenden Veranstaltungen.
Für ihre Studie ließen sie insgesamt 84 SchülerInnen lernen und baten sie, an vier mündlichen Prüfungen teilzunehmen. Um diese Sitzungen unvergesslich zu machen, nahm ein berühmter Schauspieler die Rolle des Prüfers ein. Zwei der Prüfungssitzungen wurden aus der Perspektive der ersten Person aus ihrem eigenen Körper in der üblichen Art und Weise wahrgenommen. In den anderen zwei Sitzungen trugen die Prüflinge Brillen und Kopfhörer, die sie in die Illusion versetzten, außerhalb ihres eigenen Körpers zu sein.
Eine Woche später sollten die ProbandInnen entweder in Gedächtnis-Tests detaillierte Angaben darüber machen, was geschehen war, in welcher Reihenfolge, und was sie dabei fühlten, oder sie mussten versuchen, sich an Ereignisse zu erinnern, während sie durch eine Magnetresonanz-Tomographie untersucht wurden.
Das Ergebnis: an die Ereignisse, die während der außerkörperlichen Erfahrungen geschehen waren, hatten die ProbandInnen eine deutlich schlechtere Erinnerung als an das, was sie in ihrem "eigenen" Körper erlebt hatten - trotz der Tatsache, dass sie das gleiche Gefühlsniveau erlebt hatten.
Bei den Scans aus der Magnetresonanz-Tomographie wurde noch ein weiterer entscheidender Unterschied deutlich, und zwar im Bereich des Hippocampus, jenem Hirn-Areal, das für episodische Erinnerungen zuständig ist. "Als die Versuchspersonen versuchten sich zu erinnern, was während der Prüfungen mit außerkörperlicher Erfahrung passiert war, wurde die Aktivität im Hippocampus eliminiert", sagt Professor Henrik Ehrsson, die Forschungsgruppenleiter der Studie. "Allerdings haben wir an der Aktivität im Frontallappen sehen können, dass sie sich wirklich bemühten sich zu erinnern."
Die Forscher interpretieren die Ergebnisse so, dass es nun einen Beweis gibt, wie eng die Beziehung zwischen Körpererfahrung und Erinnerung ist. Unser Gehirn schaffe ständig die Erfahrung des eigenen Körpers im Raum, in dem es Informationen aus verschiedenen Sinnen kombiniere: Sehen, Hören, Tasten und mehr. Wird eine Erinnerung im Gehirn erstellt, ist es die Aufgabe des Hippocampus, alle Informationen, die in der Hirnrinde gefunden werden, in einem einheitlichen Speicher für die weitere langfristige Aufbewahrung zu verbinden. Macht der Mensch dabei die Erfahrung, außerhalb des eigenen Körpers zu sein, wird dieser Speicherprozess gestört, woraufhin das Gehirn dann nur fragmentarische Erinnerungen erstellt.
Die Forscher hoffen, dass dieses neue Wissen nützlich ist für die zukünftige Erforschung von Gedächtnisstörungen bei psychiatrischen Erkrankungen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen und bestimmten Psychosen, bei denen die Patienten dissoziative Erfahrungen machen.
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 12. März 2014