Auf Fast Fashion verzichten ist nicht so einfach
Aurelia untersuchte in ihrer Bachelorarbeit, welche Hürden uns davon abhalten, beim Kauf von Kleidung auf Umwelt- und Sozialverträglichkeit zu achten
Worum ging es bei deiner Bachelorarbeit, und was wolltest du herausfinden?
In meiner Bachelorarbeit geht es um Kleidungskonsum und Nachhaltigkeit. Diese beiden Begriffe gehen ja häufig nicht zusammen, da die Fast-Fashion-Industrie immer noch den Mode-Markt dominiert. Die Zahlen von Produktion und Konsum steigen, und das obwohl mittlerweile bekannt ist, welche katastrophalen Auswirkungen das System Fast Fashion nicht nur für die Arbeiter*innen, sondern auch für die Umwelt und das Klima hat – Stichwort Wasser- und Energieverbrauch, Treibhausgase, giftige Chemikalien…
Grundsätzlich ist Nachhaltigkeit ja vielen Menschen wichtig. In der Praxis scheitern wir aber offensichtlich daran. Das ist in der Wissenschaft als Attitude-Behavior-Gap bekannt, also die Lücke zwischen unseren (nachhaltigkeitsorientierten) Einstellungen und unserem Verhalten. Ich wollte deshalb herausfinden, welche Faktoren uns konkret darin hindern, unseren Kleidungskonsum nachhaltiger zu gestalten. Dafür habe ich mir überlegt, Teilnehmende für einen Selbstversuch zu rekrutieren, bei dem sie acht Wochen lang auf den Kauf von Fast Fashion verzichten sollten, und diese Erfahrungen dann in Gruppendiskussionen mit ihnen zu besprechen.
Wie bist du auf das Thema gekommen?
Die Themenfindung war für mich zuerst schwierig – ich studiere Sozialwissenschaften und hatte die Wahl zwischen einer Vielzahl von Themengebieten für meine Bachelorarbeit. Meine Mitbewohnerin hat mich dann darauf gebracht, über den Zusammenhang zwischen „Klima und Klamotten“ zu schreiben – so heißt ja das Projekt von LizzyNet und FEMNET, in dem ich mich zwei Jahre lang als Mitglied der Jugendredaktion engagiert habe. Die Idee hat mir gefallen, so konnte ich mich neben der journalistischen Auseinandersetzung dem Thema auch noch wissenschaftlich nähern.
Wie hast du die Teilnehmer:innen gefunden?
Teilnehmende für den Selbstversuch zu rekrutieren, war nicht so einfach… Ich hatte mir überlegt, Studierende und Abiturient*innen zu rekrutieren, weil die keine berufsbedingten Regeln beim Kleidungskauf beachten müssen und gleichzeitig aber schon selbst dafür verantwortlich sind. Den Aufruf zur Teilnahme habe ich in verschiedenen WhatsApp-Gruppen verbreitet. Vielen war das Projekt, denke ich, zu aufwendig, eine Person hat mir aber auch geschrieben, sie finde den Selbstversuch zu einfach.
Tatsächlich waren die Anforderungen gar nicht so hoch: Es ging nur darum, im gewählten Zeitraum keine Fast Fashion zu kaufen. Bereits gekaufte Stücke durften getragen werden. Letztendlich konnte ich dann doch noch vier junge Frauen für die Teilnahme gewinnen. Dass sich nur Frauen gemeldet haben, zeigt auch schon, dass es bei dem Thema geschlechtsspezifische Unterschiede gibt.
Wie schwer ist es den Teilnehmenden gefallen, auf den Kauf von Fast Fashion zu verzichten?
Generell ist es den Teilnehmerinnen schwerer gefallen, als sie selbst vorhergesagt hatten. Sie alle hatten sich schon vor dem Selbstversuch mit dem Thema nachhaltiger Kleidungskonsum beschäftigt, manche hatten bereits ihren Konsum teilweise dahingehend umgestellt – sie kauften schon Secondhandkleidung und einzelne Fair-Fashion-Stücke und achteten darauf, nicht zu viel zu kaufen und ihre Kleidungsstücke lange zu tragen. Während dieser acht Wochen haben sie aber festgestellt, dass sie doch in gewissen Situationen auf den Kauf von Fast Fashion zurückgegriffen haben.
Die Hürden, die ich in der Analyse identifiziert habe, sind vielfältig. Grob lassen sie sich in zwei Kategorien einteilen: Einerseits kaufen wir Kleidung ja nicht nur für ihren praktischen Zweck, sondern auch aus emotionalen und sozialen Gründen: Die Teilnehmerinnen kaufen, wie vermutlich viele von uns, häufig mit ihren Freund*innen ein, Shopping ist für sie eine Art Hobby. Dieses Hobby ist aber eng verbunden mit dem großen Angebot an billiger Kleidung, das es in Fast-Fashion-Läden gibt. Wenn der Freundeskreis modeorientiert ist, kann uns das auch in diese Richtung beeinflussen.
Andererseits dürfen wir die strukturellen Hindernisse nicht vergessen. Die Fast-Fashion-Unternehmen tun selbst viel dafür, uns an sie zu binden – durch Werbung und durch den ständigen Wechsel der Kollektionen. Noch dazu können sie durch die Produktion in Ländern des globalen Südens und die Missachtung von Umweltstandards niedrige Preise erzielen, mit denen umwelt- und sozialverträglich produzierte Kleidung nicht mithalten kann. Für solche Kleidung, oder auch für Secondhandkleidung, gibt es außerdem zu wenige lokale Anlaufstellen, finden die Teilnehmerinnen. Es ist auch viel zeitaufwendiger, dort etwas Spezielles zu finden. Eine Teilnehmerin brauchte zum Beispiel für ein Festival noch spontan eine kurze Hose, und hat diese aus Zeitgründen in einem Fast-Fashion-Laden besorgt.
Was hat dich überrascht und mit was hast du gerechnet?
Ich wusste nicht so recht, womit ich rechnen soll – ob es den Teilnehmerinnen sehr leicht fallen würde oder nicht. Dass die niedrigen Preise von Fast Fashion, und generell das Geschäftsmodell - die schnell wechselnden Kollektionen - eine Rolle spielen, damit hatte ich gerechnet. Überrascht war ich, wie wichtig der soziale Aspekt war, also dass der Shopping-Event mit Freund*innen die Teilnehmerinnen zum Kauf verleitet hat. Im Gegensatz dazu hatte ich eher gedacht, dass Influencer*innen einen stärkeren Einfluss haben. Die Teilnehmerinnen haben aber erzählt, dass sie sich auch auf Social Media eher an ihrem Freundeskreis orientieren. Auch dass das eingeschränkte Angebot von nachhaltig produzierter und Secondhand-Kleidung ein Problem sein könnte, hatte ich vorher nicht wirklich bedacht.
Welche Schlüsse ziehst du aus dem Experiment? Und für wen könnten die Ergebnisse noch spannend sein?
Das Experiment hat gezeigt, dass es auf dem Weg zu einem nachhaltigen Kleidungskonsum viele Hindernisse gibt, die teilweise miteinander zusammenhängen. Selbst Konsument*innen mit einem Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz tun sich schwer damit, ganz auf Fast Fashion zu verzichten. Ich habe aber auch ein paar Erfolgsfaktoren gefunden: Der Freundeskreis kann auch einen positiven Einfluss haben, wenn Freund*innen sich über Alternativen zu Fast Fashion austauschen und zum Beispiel zusammen auf Kleidertauschpartys gehen. Solche relativ neuen Angebote können generell eine gute Motivation sein – dafür, unseren Kleidungskonsum stückweise zu verändern. Im Idealfall können dann dadurch gute Gefühle ausgelöst werden, die viele von uns beim Shopping suchen.
Die Aussagekraft der Ergebnisse wird natürlich dadurch abgeschwächt, dass die Teilnehmerinnen sich so ähnlich sind – das gleiche Geschlecht, die gleiche Altersgruppe, eine ähnliche Bildung. Es wäre deshalb spannend, ein ähnliches Experiment mit einer anders zusammengesetzten Gruppe durchzuführen. Trotzdem denke ich, dass die Ergebnisse auch für die Politik interessant sein könnten, um wirksame Maßnahmen zu treffen: Für bessere Kontrollen der Einhaltung von Umweltstandards, oder die Förderung von Alternativen zu Fast Fashion. Die Verbraucher*innen allein können die aktuelle Situation nicht ändern, dazu braucht es strukturelle Ansätze, das ist mir durch meine Bachelorarbeit nochmal bewusst geworden.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke!
Das Interview fand statt im Rahmen des Projekts Klima&Klamotten
Autorin / Autor: Aurelia / Redaktion - Stand: 18. Oktober 2024