Filme über KI: Geschaffen vom männlichen Genie?
Studie: Nur 8 % aller Darstellungen von KI-Fachleuten in Filmen sind Frauen. Dieses kulturelle Stereotyp kann Einfluss auf die Berufswahl und Bewerber:innensuchen haben
Das einsame männliche Genie mit Allmachtsfantasien entwickelt im stillen Kämmerlein eine Künstliche Intelligenz - das ist ein Klischee, das in KI-Filmen häufig bemüht wird. Und eines, das möglicherweise auch dazu beiträgt, dass wenige Frauen heute in der KI-Entwicklung arbeiten.
Diese These vertreten Wissenschaftler:innen der Universität Cambridge. Die Forschenden argumentieren, dass sich durch die Filme in den letzten hundert Jahren ein kulturelles Stereotyp herausgebildet habe. Solche kulturellen Wahrnehmungen beeinflussen auch die Berufswahl und die Suche nach Bewerber:innen, sind die Forschenden überzeugt. Und wenn weniger Frauen in diesem Bereich arbeiten, steigt auch das Risiko, dass geschlechtsspezifische Vorurteile in die Entwicklung von Algorithmen miteinfließen.
Auf der Leinwand 92 % aller KI-Wissenschaftler und -Ingenieure Männer
Das Team des Leverhulme Centre for the Future of Intelligence (LCFI) der Universität hat aus über 1400 Filmen die 142 einflussreichsten Kinofilme von Metropolis bis Iron Man ausgewählt, in denen künstliche Intelligenz zwischen 1920 und 2020 eine Rolle spielt, und 116 Figuren identifiziert, die sie als "KI-Experten" einstufen.
Davon waren 92 % aller KI-Wissenschaftler und -Ingenieure auf der Leinwand Männer, während es insgesamt nur acht Wissenschaftlerinnen und eine CEO in Filmen gab. Im echten Leben sind tatsächlich nur 78% der KI-Beschäftigten männlich.
"Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in der KI-Industrie ist systemisch und allgegenwärtig", sagte Mitautorin Dr. Kanta Dihal vom LCFI in Cambridge. "Mainstream-Filme sind eine enorm einflussreiche Quelle und Verstärker der kulturellen Stereotypen, die dazu beitragen, zu diktieren, wer für eine Karriere in der KI geeignet ist."
Von den gerade mal acht weiblichen KI-Wissenschaftler:innen, die in den letzten 100 Jahren im Kino zu sehen waren, wurden vier immer noch als minderwertig oder den Männern unterlegen dargestellt.
KI im "männlichen Milieu"
Dihal und Cave sowie ihre LCFI-Kolleginnen haben sich auch die Art und Weise angesehen, zu welchen Zwecken die männlichen Wissenschaftler im Kino menschenähnliche KI erschaffen. Etwa 22 % der männlichen KI-Wissenschaftler oder -Ingenieure in der Filmgeschichte erschaffen menschenähnliche KI, um "ihre Wünsche zu erfüllen": Sie ersetzen verlorene geliebte Menschen, bauen ideale Liebhaber oder erschaffen KI-Kopien von sich selbst. "Das Kino hat lange Zeit Erzählungen über künstliche Intelligenz genutzt, um männliche Fantasien zu bedienen, sei es der Gebärmutterneid eines einsamen Genies, das sein eigenes Abbild erschafft, oder der Gottkomplex, der Tote zum Leben erweckt oder gehorsame Frauen erschafft", so LCFI-Mitautorin Dr. Kerry McInerney.
All dies wird durch das überwiegend "männliche Milieu" vieler KI-Filme noch verschärft, argumentieren die Forscher - wobei KI oft als Produkt von männlich dominierten Unternehmen oder des Militärs gezeigt wird.
"Unsere filmische Bestandsaufnahme zeigt, dass Frauen als KI-Wissenschaftlerinnen auf der Leinwand stark unterrepräsentiert sind. Wir müssen aufpassen, dass diese kulturellen Stereotypen nicht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden, wenn wir in das Zeitalter der künstlichen Intelligenz eintreten."
Die Forscher:innen fanden heraus, dass ein Drittel (37 Personen) der KI-Wissenschaftler:innen im Kino als "Genies" dargestellt werden - und von diesen ist nur eine einzige eine Frau. Tatsächlich werden 14 % aller KI-Fachleute in Filmen als ehemalige Wunderkinder dargestellt. "Genie ist kein neutrales Konzept", sagte Dr. Stephen Cave, Direktor des LCFI und Mitautor der Studie. "Genie ist eine Idee, die auf geschlechtsspezifischen und rassistischen Vorstellungen von Intelligenz beruht, die historisch von einer weißen männlichen Elite geprägt wurden. Einige einflussreiche Technologen, wie z. B. Elon Musk, haben absichtlich 'geniale' Persönlichkeiten kultiviert, die sich ausdrücklich an Filmfiguren wie Iron Man orientieren."
Vorbild Filmfigur
Das LCFI-Team verweist auf frühere Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Menschen aller Altersgruppen außergewöhnliche intellektuelle Fähigkeiten mit Männern assoziieren - der "Brillanz-Bias" - und argumentiert, dass das Stereotyp von KI-Wissenschaftlern als geniale Visionäre die Überzeugung verfestigt, dass Frauen für KI-bezogene Berufe nicht geeignet sind.
Die Forschenden verweisen auf den derzeitig düsteren Stand von Frauen in der KI-Branche. Weltweit sind nur 22 % der KI-Fachleute Frauen (im Vergleich zu 39 % in allen MINT-Bereichen). Über 80 % aller KI-Professoren sind Männer, und nur 12 % der Autor:innen auf KI-Konferenzen sind Frauen.
Diese Ungleichheit sei nicht nur ungerecht, sie könne auch gefährlich sein.
Auch wenn manche vielleicht bezweifeln, dass die Darstellung auf dem Bildschirm die reale Welt wirklich beeinflusst, verweist das LCFI-Team auf Forschungsergebnisse, die zeigen, dass fast zwei Drittel (63 %) der Frauen in der MINT-Branche Dr. Dana Scully, die wissenschaftliche Protagonistin der legendären Fernsehserie Akte X, als frühes Vorbild nennen.
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 16. Februar 2023