TV-Experten sind männlich
Studie zum Ungleichgewicht von Männern und Frauen in deutschen TV- und Kino-Produktionen
Vom TV-Koch bis zum Kommissar, vom Nachrichtensprecher bis zum TV-Experten: Hauptfiguren sind meist männlich. Frauen kommen in deutschen audiovisuellen Medien deutlich seltener vor. Wenn sie vorkommen, dann sind sie meist unter 30 oder erscheinen im Kontext von Beziehung und Partnerschaft. Männer erklären in audiovisuellen Medien die Welt: sie sind die Experten, Gameshow-Moderatoren, Journalisten und Sprecher. Im Kinderfernsehen sieht es auch nicht besser aus! Insgesamt gilt auch hier: nur eine von vier Figuren ist weiblich.
Das sind - ganz grob zusammengefasst - die Ergebnisse einer umfassenden Studie der Universität Rostock um die Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Elizabeth Prommer und Dr. Christine Linke, die mit ihrem Team unter anderem der Frage nachgegangen sind, wie präsent, wie alt und in welchen Funktionen Frauen und Männer auf deutschen Fernsehbildschirmen und Kinoleinwänden zu sehen sind. In der bislang umfassendsten Studie zur Ermittlung von Geschlechterdarstellungen in deutschen Produktionen wurden über 3.000 Stunden TV-Programm aus dem Jahr 2016 und über 800 deutschsprachige Kinofilme aus den letzten sechs Jahren ausgewertet.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Der sogenannte Bechdel-Test und der "Furtwängler-Test" (umgekehrter Bechdel-Test) offenbaren, dass es hier eine Schieflage gibt. Der Bechdel-Test fragt im Hinblick auf einen Film:
Gibt es zwei Frauen?
Haben diese erkennbare Namen?
Sprechen diese miteinander?
Über etwas anderes als Männer/Beziehung?
Bestanden ist der Bechdel-Test, wenn alle Fragen mit Ja beantwortet wurden.
Nur 57% der untersuchten Filme bestehen ihn.
Der Furtwängler-Test fragt dasselbe in Bezug auf Männer:
Gibt es zwei Männer?
Haben diese erkennbare Namen?
Sprechen diese miteinander?
Über etwas anderes als Frauen/Beziehung?
Hier schaffen es immerhin 87% der Filme.
*Moderatorinnen und Soap-Stars*
Zwar sind Frauen bis zu einem bestimmten Alter durchaus häufig vertreten, allerdings nur bis zum Alter von 30 Jahren und gerne in den Bereichen Moderation, Soap oder Telenovela. Bei den über 60jährigen sind es gerade noch 20% in deutschen TV-Produktionen.
Am krassesten fällt auf, dass Frauen sowohl im Bereich der TV-Information als auch der nonfiktionalen TV-Unterhaltung verschwindend gering (21% TV-Info bzw. 31 %) als Expertinnen auftauchen.
Erschreckend ist auch, dass es im Kinderfernsehen nicht viel besser ist. Auch hier erklären Männer die Welt (2/3 männliche Moderatoren), und auch die meisten Fantasie-Figuren sind männlich (bei Tierfiguren sind es 9 von 10!).
Nicht nur weil Fernsehen, vor allem wenn es von öffentlichen Geldern finanziert wird, die Realtität abbilden und alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßebn vertreten sollte, sind die Ergebnisse der Studie bedenklich. Sie zeigen auch, dass Zuschauer_innen von klein auf mit Geschlechterklischees bombadiert werden und sich das durch das ganze Leben zieht. Während überall der Ruf nach Gleichstellung, "Diversität" und einem modernem Geschlechterverständnis laut wird, arbeiten audiovisuelle Medien konsequent dagegen an.
Initiiert hat die Untersuchung die Schauspielerin und Ärztin Dr. Maria Furtwängler, die im Laufe ihrer Schauspiel-Karriere immer wieder kritisiert hat, dass Rollen mit steigendem Alter für Schauspielerinnen immer rarer werden und geschlechtsspezifisch blieben.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 14. Juli 2017