Aua, bist du peinlich!
Forschung: Fremdschämen tut nicht nur sprichwörtlich weh
„Du bist so peinlich, dass es schon fast weh tut!“ – dieser Satz ist leicht gesagt, aber wer hätte gedacht, dass das Gehirn beim Fremdschämen tatsächlich Schmerzen registriert. Wenn man sich für andere schämt, sind ähnliche Gehirnareale aktiv, wie wenn man den körperlichen Schmerz anderer nachempfindet. Das berichten Wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg in der aktuellen Ausgabe des Online-Wissenschaftsmagazins „PLoS One“.
„In sozialen Interaktionen ist es von so großer Bedeutung, das Gesicht nicht zu verlieren, dass man sich schämt, wenn man sich im Geiste in die Lage eines anderen versetzt, die von außen betrachtet peinlich erscheint“, schreiben die Autoren der aktuellen Studie.
Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, in welchen Hirnregionen Mitleid verarbeitet wird, das man bei der Beobachtung körperlicher Verletzungen anderer empfindet: nämlich in der anterioren Insula und dem anterioren cingulären Cortex. Für das Phänomen des Fremdschämens gab es hingegen bislang noch keine vergleichbaren Analysen. Um diese Lücke zu schließen, führten die Wissenschaftler zwei Studien durch.
In einer Fragebogenstudie konfrontierten sie mehr als 600 Freiwillige mit kurz beschriebenen, peinlichen Szenen und zeichneten die Reaktionen auf. Das Ergebnis: Das Gefühl der Scham stellt sich relativ unabhängig davon ein, ob sich die beobachtete Person ihrerseits blamiert fühlt oder nicht. Wenn jemand unbemerkt ein Stück Toilettenpapier hinter sich herzieht, sind wir also genauso peinlich berührt, wie wenn sich jemand absichtlich "zum Deppen macht".
In einer zweiten Studie maßen die Forscher die Gehirntätigkeit von 32 Testpersonen, während diese Darstellungen peinlicher Situationen betrachteten, etwa das Bild eines Mannes, dem die Hosennaht beim Bücken aufplatzt. „Hierbei fanden wir robuste Aktivierungen der anterioren Insula und im anterioren cingulären Cortex, dem Hirnstamm und dem Kleinhirn“, erklärt Seniorautor Krach – „dem gleichen Netzwerk, das auch involviert ist, wenn man Mitgefühl bei körperlichen Schmerzen empfindet“.
Fremdschämen aktiviert also tatsächlich das Schmerzgefühl. Wir raten daher vom übermäßigen Konsum diverser Nachmittags-Talkshows und Reality-Formate ab ;).
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 15. April 2011