Freund:innen machen Songs zu Hits
Forschung: Soziale Komponente spielt bei der Verbreitung von Musik eine wichtige Rolle
Wann wird ein Popsong ein Hit? Liegt es daran, wie berühmt ein Star ist? Oder ob das Genre gerade voll im Trend liegt? Oder gibt es noch andere Erfolgsfaktoren? Die Musikindustrie verwendet viel Geld darauf, herauszufinden, wann, wieso und welche Musik plötzlich erfolgreich wird. Dabei wurde offenbar lange vernachlässigt, wie Musik sich heute verbreitet und welche Rolle soziale Netzwerke dabei spielen - vor allem, die Menschen, die darin miteinander verbandelt sind. Wie Freund:innen sich gegenseitig musikalisch beeinflussen war darum Gegenstand einer Studie von Forschenden um Niklas Reisz vom Complexity Science Hub (CSH).
"Es war für uns besonders interessant zu sehen, dass der soziale Aspekt, die musikalische Homophilie, bisher sehr wenig Beachtung gefunden hat – obwohl Musik schon immer einen starken sozialen Aspekt hatte", so Reisz. Homophilie meint dabei die typisch menschliche Neigung, sich mit Leuten zu umgeben, die einem ähnlich sind. „Die musikalische Homophilie, also die Tendenz, dass Menschen, die sozial miteinander verbunden sind, auch einen ähnlichen Musikgeschmack haben, konnten wir in dieser Studie sehr deutlich quantifizieren“, erklärt Forscher Stefan Thurner. „Das ist insofern bedeutend, da es ein Beispiel dafür ist, dass man mit großen Datensätzen durchaus soziale Beeinflussung zwischen Menschen – also Meinungsbildung – messen kann. Ein wichtiges zukünftiges Anwendungsgebiet wäre hier natürlich die politische Meinungsbildung oder Einstellungen zu Themen wie zum Beispiel dem Klimawandel besser zu verstehen.“
Wer beeinflusst wen?
Die Wissenschaftler:innen entwickelten ein Modell, das zusätzlich zu üblicherweise herangezogenen Informationen, wie dem Bekanntheitsgrad von Interpret:innen oder der Beliebtheit der Musikrichtung, auch Informationen über das soziale Netzwerk von Hörer:innen eines neuen Songs miteinbezog. Dadurch konnten sie die Genauigkeit der Vorhersagen, ob ein Song zu einem Hit wird oder nicht, um fünfzig Prozent – von 14 Prozent auf 21 Prozent – verbessern.
Das Team analysierte Daten der Musikplattform last.fm, die rund 2,7 Millionen User, 10 Millionen Songs und 300 Millionen Wiedergaben umfassen. Auf der Plattform können User sich befreunden und Lieder liken. Hört ein:e Freund:in einen Song, sehen das andere in ihrem Netzwerk.
„Dadurch erhielten wir anonymisierte Informationen darüber, wer zu welchem Zeitpunkt welchen Song anhört und mit wem diese Person befreundet ist“, erklärt Reisz. Daraus erstellten sie zwei Netzwerke. Das erste Netzwerk zeigt, wer mit wem befreundet ist. Das zweite Netzwerk stellt dar, wer wen wie stark beeinflusst. „Hier sind die Knoten des Netzwerks ebenfalls Personen, doch die Verbindungen entstehen, wenn eine Person einen Song anhört und kurz danach eine andere Person den gleichen Song zum ersten Mal anhört“, so Stefan Thurner vom CSH. Auf dieser Grundlage untersuchte das Team die ersten 200 Personen, die sich einen neuen Song anhörten, um vorherzusagen, ob dieser Song ein Hit werden wird, also ob er zu den ein Prozent der meistgehörten Songs auf last.fm gehören wird. Sie fanden heraus, dass die Verbreitung eines Songs im Netzwerk maßgeblich von der Einflussnahme der Nutzer:innen untereinander abhängt.
Viel Einfluss und großer Freundeskreis sorgt für Hit-Potenzial
Je ausgeprägter die Fähigkeit einer Person ist, ihre Freunde zu beeinflussen, und je größer ihr Freundeskreis ist insbesondere, wenn diese Freunde wiederum ebenfalls einen starken Einfluss auf ihre Freunde haben –, desto effektiver und schneller verbreitet sich ein Song im Netzwerk. Informationen über die sozialen Netzwerke und die Dynamik sozialer Einflüsse ermöglichen dadurch deutlich präzisere Prognosen, ob ein Song ein Hit wird oder nicht, so das Ergebnis der Studie.
Mit dem Verfahren können zwar weiterhin keine Hits zu 100% vorhergesagt werden, aber zumindest kann deren Potenzial anhand der Freundeskreisverbreitung besser aufgezeigt werden. Aber ist ja auch ganz gut, dass es auch noch ein paar ungelüftete Geheimnisse gibt, warum ein Lied aus dem Nichts an die Spitze stürmt und die Hörer:innen offenbar ins Herz trifft, ohne dass irgendwelche Vorhersagealgorithmen das prophezeit hätten.
Die Studie wurde im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 17. Juni 2024