Furchtlos durch Avatar

Studie: Auch virtuelle Begleiter*innen können Ängste dämpfen - besonders bei Frauen

Prüfungen, Vorstellungsgespräche oder nächtliche Spaziergänge - in einer furchteinflößenden Situation sind viele Menschen weniger ängstlich, wenn sie die nicht alleine durchstehen müssen. Was aber, wenn Menschen unter einer ausgeprägten sozialen Angst leiden? Verkehrt sich der beruhigende Einfluss eines Begleiters ins Gegenteil, wenn sich Menschen davor fürchten, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren? Könnte in solchen Fällen ein virtueller Begleiter die Lösung für das Problem sein? Und wie unterscheiden sich eigentlich Frauen und Männer in solchen Situationen? Diesen Fragen ist ein Team von Wissenschaftler_innen der Universität und des Universitätsklinikums Würzburg sowie der Zhengzhou Universität (China) in einer aktuellen Studie nachgegangen.

Angst in Begleitung eines Avatars

Den Teilnehmenden (208 Männern und Frauen) wurden Angst auslösende Geräusche im Wechsel mit neutralen vorgespielt – mal in Begleitung einer Person, mal ohne. Dabei galt: Frauen bekamen Begleiterinnen zur Seite gestellt, Männer Begleiter. Den Grad der Angstreaktion der Proband_innen bestimmte das Forschungsteam zum einen über die Veränderung der Hautleitfähigkeit. Zum anderen mussten die Versuchspersonen die Geräusche auf einer vorgegebenen Skala bewerten.
Dabei unterschieden sich die Versuchsreihen in einem wesentlichen Kriterium: Während bei der einen Gruppe während des Experiments eine reale Person mit vor Ort war, erledigte die zweite Gruppe die Aufgabe in einer virtuellen Realität – mit einem Avatar an der Seite, der dem realen Begleiter lebensecht nachgebildet war.

Soziale Unterstützung als Stresspuffer, besonders für Frauen

„Frühere Experimente haben gezeigt, dass die Anwesenheit eines Dritten physiologische Angstreaktionen abschwächen kann. Soziale Unterstützung wirkt in solchen Fällen also wie ein Stresspuffer“, erklärt Grit Hein. Allerdings reagieren nicht alle Menschen gleich, denn bei manchen löst gerade die Anwesenheit einer anderen Person Besorgnis oder Angst aus. Sie haben Angst davor, dass ihre Begleitung Angstreaktionen wie Zittern, Erröten oder Schwitzen an ihnen wahrnehmen könnte und geraten deshalb erst recht in Stress. Ob auch ein Avatar in der Lage ist, solch eine Reaktion hervorzurufen, war bislang nicht zweifelsfrei geklärt.

Für Klarheit sorgen jetzt die Ergebnisse der Würzburger Studie. Sie zeigen: Frauen reagieren deutlich stärker auf Angst auslösende Geräusche als Männer. Vor allem bei Frauen mindert die Anwesenheit Dritter Angst. Dies gilt in besonderer Weise für Frauen, die keine ausgeprägten sozialen Ängste haben. Auch die Anwesenheit einer virtuellen Person reduziert bei Frauen die Angstreaktion – unabhängig davon, wie stark sie von sozialen Ängsten betroffen sind. Ein virtueller Agent kann also bei Frauen mit ausgeprägten sozialen Ängsten das Sicherheitsgefühl verstärken. Bei Männern wirken sich soziale Ängste nicht in vergleichbarer Weise aus.

Für die Autor_innen liefert die Studie neue Einblicke in die individuellen Unterschiede von menschlichen Angstreaktionen und der Wirksamkeit von Hilfsstrategien. In Zukunft wäre es interessant, diese Effekte auch bei der Verarbeitung positiver Reize zu untersuchen, so die Forschenden. Darüber hinaus wünschen sie sich, dass zukünftige Studien systematisch den Effekt des Geschlechts des „unbeteiligten Dritten“ erforschen. Dann ließen sich auch wissenschaftlich fundierte Aussagen darüber treffen, wie Männer reagieren, wenn ihnen eine Frau in einer Angst auslösenden Situation zur Seite steht – und umgekehrt.

„In aller Kürze zusammengefasst zeigen wir, dass Angst auch durch die ‚Anwesenheit‘ einer virtuellen Person gemindert werden kann, insbesondere bei sozial ängstlichen Frauen. Und ganz generell scheinen Frauen mehr von der Anwesenheit Dritter zu profitieren als Männer“, fasst Hein die zentralen Ergebnisse der Studie zusammen. Für die Behandlung von Angststörungen könne diese Erkenntnis potenziell von praktischer Bedeutung sein.

Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Translational Psychiatry veröffentlicht.

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