Verfolgt man aufmerksam die täglichen Nachrichten, hat man schnell das Gefühl, die Welt versinkt in Intoleranz und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Religionen und Kulturen. Auch die steigende Anzahl rechtsradikal Denkender in Europa führt irgendwann zu der Frage: Wie kann dieser Intoleranz ein Ende gesetzt werden, und was kann man unternehmen, um wieder mehr Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen zu fördern? Eine ganz einfache Lösung bietet nun eine neue Studie an. Sie besagt, dass nur ein kleiner Funken Verbundenheit zu einer anderen Kultur - zum Beispiel ein gemeinsames Interesse - ausreiche, um nachhaltig Vorurteile abzubauen.
Schon lange ist in der Forschung belegt, dass längere Beziehungen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Gruppen - wie zum Beispiel zwischen WG-Mitbewohnern und langjährigen Freunden - toleranter machen. Auch kleine Events wie ein gewöhnlicher Geburtstag haben gezeigt, dass wenn man Menschen zusammenbringt, sie eher bereit sind, gemeinsame Ziele und Motivationen zu teilen. Die Psychologin Tiffany Brannon und Professor Gregory Walton von der Stanford University wollten nun genauer untersuchen, welche Auswirkungen solch kleine Begegnungen auf die Toleranz von Gruppen untereinander haben können und erarbeiteten verschiedene Versuchsanordnungen.
In der ersten stellten sie fest, dass weiße kanadische TeilnehmerInnen ein größeres Interesse an der chinesischen Kultur entwickelten, wenn ihre Körperhaltung subtil verständnisvoll von einem chinesischen Kanadier gespiegelt wurde, als wenn diese Person eine neutrale Position einnahm. Nach der vertrauensvollen Gestik ihres Gegenübers waren die Weißen zum Beispiel mehr an chinesischen Produkten interessiert.
Die nächsten zwei Experimente untersuchten den Zusammenhang zwischen sozialer Verbindung, kulturellen Aktivitäten und Vorurteilen. Dabei stellte sich heraus, dass weiße und asiatisch-amerikanische TeilnehmerInnen weniger Vorurteile gegen Latinos äußerten, nachdem sie eine Lateinamerikanerin kennen gelernt hatten, die - wie sie - das gleiche Lieblingsbuch hatte, und nachdem sie mit ihr in einer Gruppe gearbeitet hatten, die Elemente der mexikanischen Kultur miteinbezogen hatte.
Eine wichtige Erkenntnis dabei war, dass die TeilnehmerInnen ihre Vorurteile allerdings nicht abbauten, wenn sie mit der Lateinamerikanerin an einem Projekt arbeiteten, das keinen Bezug zur mexikanischen Kultur hatte. Dieses Ergebnis zeige, dass es wichtig sei, die kulturelle Dimension miteinzubeziehen, so die ForscherInnen.
Obwohl die Erfahrungen im Labor nur kurze Zeit dauerten, hatten sie langanhaltende Auswirkungen: Die TeilnehmerInnen, die mit der Lateinamerikanerin zusammengearbeitet hatten, zeigten später nicht nur größeres Interesse an der Interaktion mit mexikanischen AmerikanerInnen, sondern hatten auch eine positivere Haltung gegenüber illegalen mexikanischen Einwanderern, wie sich in einer Umfrage sechs Monate später zeigte.
Für die WissenschaftlerInnen ergeben sich daraus Richtlinien, wie man die multikulturellen Erfahrungen nutzen kann, um Beziehungen zwischen den Gruppen zu verbessern: "Oft finden die Angehörigen der Minderheiten es riskant, über ihre besonderen kulturellen Interessen zu reden, weil es die Mehrheit dazu einlädt, sie wieder durch die Linse von stereotypen Zuschreibungen wahrzunehmen," so die ForscherInnen. "In der vorliegenden Untersuchung wird aber deutlich, dass es auch Vorteile geben kann, wenn Angehörige von Minderheiten der Mehrheitsgesellschaft Einblicke in die positiven Aspekte ihrer Kultur geben."
Diese Forschung sei für Länder wie zum Beispiel die USA wichtig, weil hier routinemäßig Menschen unterschiedlicher Herkunft an Arbeitsplätzen, in Schulen und in anderen sozialen Einrichtungen in Kontakt treten, so Brannon und Walton. Aber es sei wichtig zu beachten, dass sich die positiven Auswirkungen nur dann zeigen, wenn die Menschen das Gefühl haben, sich freiwilig an kulturellen Aktivitäten beteiligt zu haben. Sobald das Gefühl entstehe, dass die Menschen verpflichtet seien an multikulturellen Aktivitäten teilzunehmen, sei der positive Effekt wieder hinfällig, warnen die WissenschaftlerInnen.
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 26. August 2013