Gestresste Zwischenmahlzeiten

Studie: Schon mittelmäßiger Stress senkt die Selbstkontrolle herab und beeinflusst unser Essverhalten

Essen wir in der Pause nach einem anstrengenden Arbeitsmorgen oder einer Prüfung Obst und Joghurt oder greifen wir eher zu Gummibärchen und Schokokuss? Vermutlich nehmen wir das Ungesündere... Dass unsere Entscheidungsfähigkeit darunter leidet, wenn wir stark gestresst sind, ist nicht nur wissenschaftlich erwiesen, sondern erfahren wir leider allzu oft am eigenen Leib. Dass wir aber uns aber auch unter "moderatem" Stress nicht mehr richtig unter Kontrolle haben, zeigen jetzt Neuroökonomen der Universität Zürich, die untersuchten, wie Stress unser Gehirn bei der Entscheidungsfindung beeinflusst.

In der kleinen Studie ließ das Forschungsteam 29 Teilnehmer_innen, die vorher erklärt hatten, einen gesunden Lebensstil zu führen, sich ausgewogen zu ernähren und Sport zu treiben, eine Hand drei Minuten lang in Eiswasser tauchen. Danach sollten die Proband_innen im MRT-Scanner in einer Reihe von Entscheidungen zwischen jeweils zwei Speisen auswählen. Weitere 22 Teilnehmer_innen wurden einer Kontroll-Behandlung unterzogen. Zur Auswahl stand für alle eine eher ungesunde Leckerei oder etwa Gesundes, das aber weniger schmackhaft war.

Wie zu erwarten, griffen die Personen mit der stressreichen Eisbadbehandlung eher als die Ungestressten zu den Speisen, die zwar besser schmecken, aber ungesünder sind. Die Auswirkungen des Stress’ waren auch im Gehirn sichtbar, wie die Wissenschaftler mithilfe von bildgebender funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (FMRT) belegten. Zwischen den Hirnregionen, die für die Ausübung von Selbstkontrolle wichtig sind – wie dem Mandelkern, dem Striatum und dem für die Entscheidungsfindung wichtigen dorsolateralen und ventromedialen präfrontalen Kortex – konnten die Forscher_innen bei den gestressten Teilnehmern veränderte neuronale Verbindungsmuster erkennen.

*Selbstkontrolle ist kein Schalter, sondern eher ein Regler*
«Unsere Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Interaktionen zwischen Stress und Selbstkontrolle im menschlichen Gehirn. Klar ist, dass sich Stress über mehrere Wege im Gehirn auswirkt», sagt Hauptautorin Silvia Maier vom Labor zur Erforschung Sozialer und Neuronaler Systeme der Universität Zürich. Ebenso sei die Fähigkeit zur Selbstkontrolle an mehreren Punkten des neuronalen Netzes für Störungen empfänglich. «Die optimale Selbstkontrolle erfordert ein präzises Gleichgewicht zwischen den Interaktionen der beteiligten Gehirnregionen. Selbstkontrolle lässt sich nicht mit einem Schalter vergleichen, der entweder ein- oder ausgeschaltet ist», so Silvia Maier. «Stattdessen könnte man eher an einen Regler denken, mit dem die Stärke der Selbstkontrolle flexibel angepasst werden kann.»

Laut Forschungsteam zeigt die Studie, dass sogar moderater Stress die Selbstkontrolle beeinträchtigen kann. «Dies ist eine wertvolle Erkenntnis, da moderate Stressfaktoren häufiger sind als extreme Ereignisse und daher die Selbstkontrolle häufiger und bei einem grösseren Teil der Bevölkerung beeinflussen», bilanziert Todd Hare, Professor für Neuroökonomie am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich. Es könnte interessant sein zu prüfen, ob Sport und soziale Unterstützung, die vor strukturellen Gehirnveränderungen nach schwerem Stress schützen, auch die Auswirkungen von moderatem Stress bei der Entscheidungsfindung dämpfen können, so Hare weiter. Da die Eisbadbehandlung sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Teilnehmer_innen hatte, ist es laut Hare zudem wichtig, zu untersuchen, warum einige Menschen widerstandsfähiger gegen Stress sind als andere.

Stichworte

Stress  Gesundheit  Essverhalten

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 12. August 2015