Gewusst, verleugnet, gelogen

Wissenschaftler:innen analysierten erstmals interne Klimaprognosen des Ölriesen ExxonMobil. Die Gefahren der Erderwärmung durch fossile Brennstoffe waren bereits in den 70iger Jahren bestens bekannt, wurden aber konsequent geleugnet

Der Ölkonzern ExxonMobil hat bereits in den 70iger Jahren treffsicher vorhergesagt, dass das Verfeuern fossiler Brennstoffe eine globale Erwärmung nach sich ziehen würde. Die unternehmensinternen Klimaprognosen zwischen 1977 und 2003, die nun erstmals von Wissenschaftler:innen der US-Universität Harvard und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ausgewertet wurden, zeigen, dass dem Konzern sehr genau bekannt war, was der Menschheit drohen würde. Nach außen hin aber wurde dies nicht nur verschwiegen, sondern vehement abgestritten: mit der Unterstützung von Klimawandelleugnern, mit Falschmeldungen, Anzeigen und Kampagnen, in denen behauptet wurde, es gebe keine sicheren Beweise für einen menschgemachten Klimawandel.

Der Konzern verfügte über zutreffende Prognosen

"Was ExxonMobil erstaunlich genau wusste, und was ExxonMobil dann bekanntlich leider tat, steht in scharfem Kontrast“, erklärt Stefan Rahmstorf vom PIK, Ko-Autor der Studie. „Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein 'kohlendioxidinduziertes Superinterglazial' verursachen würde. Das ist eine Warmzeit, die nicht nur viel wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren. Durch den unaufhörlichen Ausstoß von Treibhausgasen sind wir heute schon weit auf dem Weg dorthin."

"Wir stellen fest, dass die meisten ihrer Projektionen eine Erwärmung vorhersagen, die mit späteren Beobachtungen übereinstimmt", heißt es in dem Bericht, der jetzt im Fachjournal ‚Science‘ erschienen ist. Die Vorhersagegenauigkeit der von ExxonMobil-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelten Modelle war dabei in den meisten Fällen überdurchschnittlich gut.

"Öffentliche Erklärungen des Unternehmens [...] widersprachen seinen eigenen wissenschaftlichen Daten"

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die internen Analysen von "Exxon und ExxonMobil Corp. […] genau vorausgesagt haben, wann die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zum ersten Mal in den Messdaten festgestellt werden würde, und sogar das ‚Kohlenstoffbudget‘ für eine Begrenzung der Erwärmung auf unter 2°C realistisch abgeschätzt haben. In jedem dieser Punkte widersprachen die öffentlichen Erklärungen des Unternehmens zur Klimawissenschaft jedoch seinen eigenen wissenschaftlichen Daten.“

Die Studie verleiht den laufenden juristischen und politischen Ermittlungen gegen ExxonMobil zusätzliches Gewicht

ExxonMobil wurde 2015 von der New Yorker Generalstaatsanwaltschaft verklagt, die den Ölkonzern beschuldigte, Anleger:innen in die Irre geführt zu haben. 2019 wurde der Konzern jedoch freigesprochen. Die aktuellen Ergebnisse könnten das Thema aber wieder befeuern und aktuell noch laufende Klagen unterstützen.

"Diese Ergebnisse bestätigen und präzisieren die Aussagen von Wissenschaftlern, Journalistinnen, Anwälten, Politikerinnen und anderen, dass ExxonMobil die Bedrohung durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung sowohl vor als auch parallel zur Orchestrierung von Lobby- und Propagandakampagnen zur Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen genau vorhergesehen hat, und widerlegen die Behauptungen der ExxonMobil Corp. und ihrer Verteidiger, dass diese Aussagen falsch seien", schreiben die Autorinnen und Autoren in der Studie.

"[...] Unsicherheiten übertrieben, Klimamodelle kritisiert [...]"

"Dies ist der Sargnagel für die Behauptungen von ExxonMobil, dass das Unternehmen zu Unrecht der bewussten Klimavergehen beschuldigt wurde", kommentiert der Hauptautor von der Harvard University, Geoffrey Supran. "Unsere Analyse zeigt, dass ExxonMobils eigene Daten im Widerspruch zu ihren öffentlichen Erklärungen stehen, in denen Unsicherheiten übertrieben, Klimamodelle kritisiert, der Mythos globaler Abkühlung verbreitet und Unwissenheit darüber vorgetäuscht wurde, wann - oder ob - die vom Menschen verursachte globale Erwärmung messbar sein würde, während man zum Risiko gestrandeter fossiler Investitionen schwieg.

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