Girlcrush
Autorin: Florence Given
Übersetzt von Pauline Kurbasik
Earthas Leben ist nicht wirklich das Gelbe vom Ei: In einer winzigen, heruntergekommenen Wohnung in London lebt sie als Künstlerin mit ihrem Freund, einem Musiker. Die Wohnung ist eigentlich viel zu klein für zwei Personen, doch für etwas Größeres ist kein Geld da. Was romantisch sein könnte, ist tatsächlich eher eine Qual: Um sich zu entfalten, braucht Eartha Raum, doch stattdessen ist da ihr Freund, der sie einengt, in den Wahnsinn treibt, ihr Vorwürfe macht – und sie schon lange nicht mehr zum Orgasmus bringt. Immer öfter weicht Eartha ihm aus, indem sie Zeit mit ihrer nicht-binären Freund:in Rose verbringt. Eines Abends ist es wieder so weit, und die beiden genießen die ein oder andere Flasche Wein. Plötzlich fällt es Eartha wie Schuppen von den Augen: Ihr Freund hat ausgedient – und nicht nur er, auch alle anderen Männer können ihr gestohlen bleiben. Um diese geniale Erkenntnis festzuhalten, nimmt Rose Earthas ausgiebigen Monolog auf und lädt ihn auch direkt bei Wonderland, einer Social Media App, hoch.
Als die beiden ihren Kater ausgeschlafen haben, ist die Welt nicht mehr wie sie war: Earthas unheilige Predigt ist viral gegangen, und sie wird als „Stimme einer Generation“ von tausenden Frauen gefeiert. Von nun an läuft ihr Leben in anderen Bahnen: Statt mit Männern steigt sie nur noch mit Frauen ins Bett, besucht queere Clubs und exklusive Parties. Ihre Eintrittskarte ist ihre Social Media-Managerin E. V., die sie von nun an in allen Lebenslagen unterstützt. Doch auch in ihrem glitzernden, aufregenden Leben entdeckt Eartha dunkle Flecken, die sie zunächst ignorieren will – bis sie die Augen nicht länger vor dem verschließen kann, was mit ihr passiert ist.
Der Roman “Girl Crush” von Florence Given ist äußerst unkonventionell – und das auf mehr als eine Art und Weise. Ich kann gar nicht genau sagen, ob es sich dabei um eine Liebesgeschichte handelt (Earthas Liebe zu sich selbst), einen Adoleszenz-Roman (über Earthas zweite Pubertät) oder etwas ganz anderes. Leider nicht, weil es so viele starke Elemente gibt, sondern eher weil keines dieser Elemente ausreicht, um eine interessante Erzählung aufzubauen. Mit jedem Erzählstrang und Handlungselement hat sich bei mir der Eindruck verstärkt, dass die Autorin die Geschichte „anreichern“ will. Leider sorgt dieses Vorgehen bei mir eher für Verwirrung als für Unterhaltung. Zwar greift Florence Given wirklich spannende Themen auf, allerdings gelingt es ihr nicht, daraus eine harmonische, unterhaltsame, emotionale Story zu stricken. Vielleicht wäre hier etwas weniger tatsächlich mehr gewesen. Wer auf der Suche ist nach mitreißenden Geschichten mit queeren und diversen Charakteren ist, der wird sicher bei Alice Oseman fündig.
*Erschienen bei KiWi-Paperback*
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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 20. April 2023