Gleiche Wünsche, ungleiche Chancen

Am 3. Dezember ist der internationale Tag der Menschen mit Behinderung

Bildcredit: Simin Kianmehr/ Aktion Mensch

Seit 1992 findet jährlich am 3. Dezember der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung statt. Ziel dieses Aktionstags ist es laut UNO, "das Verständnis für Themen rund um Behinderungen zu fördern und Unterstützung für die Würde, die Rechte und das Wohlergehen von Menschen mit Behinderungen zu mobilisieren." Außerdem soll auch ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, welche Vorteile sich aus der Integration von Menschen mit Behinderungen in alle Bereiche des politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens ergeben. Weltweit finden an diesem Tag zahlreiche unterschiedlichste Veranstaltungen statt, bei denen Perspektiven und Forderungen von Menschen mit Behinderungen im Mittelpunkt stehen.

Dass ein solcher Aktionstag mehr als berechtigt ist, zeigt auch das "Inklusionsbarometer Jugend" von Aktion Mensch, das im Herbst 2024 veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse der ersten bundesweiten Vergleichsstudie zu Teilhabechancen von jungen Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren machen deutlich, dass Jugendliche mit Beeinträchtigung deutlich häufiger diskriminiert werden und nur die Hälfte mit ihrem Leben insgesamt zufrieden ist (gegenüber mehr als drei Viertel der Jugendlichen ohne Beeinträchtigung).

Laut der Untersuchung haben sechs von zehn jungen Menschen bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht. Dabei ist der Anteil der Jugendlichen mit Beeinträchtigung mit 85 Prozent deutlich höher als der ihrer Altersgenoss:innen ohne Beeinträchtigung mit 61 Prozent. Ebenfalls alarmierend: Ein Drittel der jungen Menschen mit Beeinträchtigung sorgt sich, zukünftig noch stärker diskriminiert oder ausgegrenzt zu werden. Bei den Jugendlichen ohne Beeinträchtigung kommt diese Sorge nur halb so häufig vor.

Deutlich schlechtere Teilhabechancen für junge Menschen mit Beeinträchtigung

Insgesamt zeigt das erste Inklusionsbarometer Jugend der Aktion Mensch: Junge Leute haben ähnliche Bedürfnisse und Herausforderungen - unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Jedoch sehen sich junge Menschen mit Beeinträchtigung in allen fünf untersuchten Teilhabedimensionen – soziale Beziehungen, Alltagsleben, Selbstbestimmung, individuelle Entfaltung und Nichtdiskriminierung – mit deutlich größeren Herausforderungen konfrontiert. So haben junge Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zwar die gleichen Vorlieben bei der Freizeitgestaltung, aber mit Behinderung schrumpfen die Möglichkeiten, diese gleichberechtigt wahrzunehmen und damit an der Gesellschaft teilzuhaben. Das auffälligste Beispiel dafür ist der eklatante Mangel an Barrierefreiheit. Dies gilt ebenso für ihren Schul-, Ausbildungs- und Berufsalltag.

Familiäres Umfeld ist Auffangnetz

Insgesamt ist die Generation Z am ehesten zufrieden mit ihren sozialen Beziehungen. Dabei geben junge Menschen mit Beeinträchtigung als wichtigste Stütze mit 72 Prozent die Familie an. Für junge Menschen ohne Beeinträchtigung liegen dagegen Freundschaften mit 86 Prozent auf Platz eins. Junge Menschen mit Beeinträchtigung seien ganz besonders auf ein privates Netzwerk und Verbündete angewiesen, die sie unterstützen und für sie kämpfen. Denn wo der Einflussbereich der Familie aufhöre, versagten die gesellschaftlichen Strukturen, so Christina Marx, Sprecherin der Sozialorganisation.

Freundschaften und Einsamkeit

Jungen Menschen mit Beeinträchtigung fällt es mit 27 Prozent deutlich schwerer, neue Freundschaften zu schließen als jungen Menschen ohne Beeinträchtigung. „Freundschaften sind ein essenzieller Teil junger Lebenswelten, die die Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich beeinflussen. Überall dabei sein zu können, ist wichtig, um Kontakte zu knüpfen. Da viele junge Menschen mit Beeinträchtigung nicht gleichberechtigt teilhaben können, ist der Unterschied in dem Bereich die bittere Konsequenz“, so Marx weiter. Die Folge: junge Menschen mit Beeinträchtigung fühlen sich mit 26 Prozent doppelt so häufig einsam wie junge Menschen ohne Beeinträchtigung. Darüber hinaus kritisiert mehr als die Hälfte, dass ihnen zu wenig zugetraut wird. Das wirkt sich negativ auf das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit aus. So glaubt die Hälfte der jungen Befragten mit Beeinträchtigung, andere in ihrem Alter könnten viel mehr als sie selbst. Ohne Beeinträchtigung findet dies nur knapp ein Fünftel.

„Die Zahlen verdeutlichen: Es ist noch ein weiter Weg, bis Vielfalt mehrheitlich als normal oder gar als Vorteil für unsere Gesellschaft wahrgenommen wird. Deshalb ist Inklusion von Anfang an in allen Lebensbereichen so wichtig. Wenn gleichberechtigtes Miteinander von Geburt an gelernt und gelebt wird, profitieren alle davon und die Diskriminierungsspirale beginnt erst gar nicht“, kommentiert Christina Marx.

Über das Inklusionsbarometer Jugend

Im Rahmen der ersten bundesweiten Vergleichsstudie befragte die Aktion Mensch 1442 junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren, davon 718 mit Beeinträchtigung und 724 ohne Beeinträchtigung. Die persönlichen Befragungen wurden in Zusammenarbeit mit Ipsos Public Affairs zwischen November 2023 und Februar 2024 durchgeführt. Aus den Umfrageergebnissen wurde ein Teilhabeindex errechnet. Ziel der partizipativ angelegten Studie ist es, ungleiche Teilhabechancen von jungen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu identifizieren, um auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse Inklusion weiter voranzutreiben.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 3. Dezember 2024