In dem Buch „Glimmernächte“, geschrieben von Beatrix Gurian, geht es um Pippa, deren Mutter sich einen neuen Mann nimmt. Doch in ihrer Patchworkfamilie scheint nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen.
Pippa ist genervt. Das Letzte, was sie will, ist von der aufregenden Großstadtmetropole Berlin, ihrer Heimat, in ein Schloss weit weg vom Schuss irgendwo in Dänemark zu ziehen. Aber ihre Mutter ist frisch verliebt in den reichen Grafen, der das Schloss mit seiner Familie bewohnt und der Hochzeit scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Doch schon auf dem Weg zu ihrem neuen Zuhause passieren merkwürdige Dinge, an die sich niemand außer Pippa zu erinnern scheint. Komische Vorfälle häufen sich, wird Pippa verrückt, ist doch Magie im Spiel oder ist doch alles anders, als es scheint? Als Pippa auf dem Hochzeitsball ihren verwirrend attraktiven Stiefbruder kennenlernt, ist ihre Neugierde endgültig geweckt. Was für Geheimnisse verbirgt ihre neue Familie? Wieso weicht jeder ihren Fragen aus? Wem kann sie eigentlich noch vertrauen?
Glimmernächte. Ein Buch mit einem wunderschönen Cover, einem beeindruckenden Schauplatz und einer interessanten Idee. Beatrix Gurian ist eine meiner Lieblingsjugendthrillerautoren und meine Erwartungen an das Buch waren entsprechend hoch. Umso enttäuschter war ich, dass Gurian sie dieses Mal nicht erfüllen konnte.
Die Idee, ein Familiendrama mit Thrillerkomponenten in einer märchenhaften Umgebung zu mischen, finde ich sehr gut. Der Leser wird vor einen eigenen inneren Konflikt gestellt, immer am Raten gehalten, ob das, was passiert, nun durch nicht menschliche Kräfte verursacht wird oder doch allein durch Menschenhand. Mafiöse Strukturen gemixt mit den Legenden und Runen aus vergangenen Zeiten erschaffen eine unheimliche Atmosphäre.
Trotz der vielen unterschiedlichen Komponenten, die in das Buch einfließen, hatte ich nie das Gefühl, dass dies alles zu viel und zu unübersichtlich wurde.
Trotzdem gab es für mich ein paar unlogische Dinge. Pippa erwähnt am Anfang, dass ihre neue Familie und die Angestellten alle der deutschen Sprache mächtig sind, sodass sie selbst kein Dänisch lernen muss. Was ist mit der Schule? Arztbesuchen, Freunde finden? Als zur anstehenden Hochzeit viele hundert Gäste eingeladen werden, die ausschließlich aus Dänemark stammen, können diese auch alle Deutsch. Es wird weder von einem Akzent gesprochen, noch eine Überraschung Pippas erwähnt, dass Innenminister, Professor, Polizeikommissar etc. alle deutsch sprechen. Auch als Pippa Gespräche zwischen den Gästen belauscht (alles Dänen), wird immer nur Deutsch gesprochen. Wieso sollte ein dänischer Professor mit einem dänischen Polizist deutsch reden? Einfacher wäre es gewesen, die Geschichte in einem deutschen Schloss spielen zu lassen, dann wären solche Unstimmigkeiten nicht aufgekommen.
Jetzt der Punkt, der mich an „Glimmernächte“ am meisten enttäuscht hat: Die Spannung. Ich bin von Beatrix Gurians anderen Büchern eine durchweg zerreißende Spannung gewohnt, so nicht in ihrem neusten Werk. Ich war regelrecht überrascht, als mir nach der Hälfte des Buches klar wurde, dass bisher noch nichts wirklich passiert war. Der Thriller ist voller Längen, die sich zwar dank Gurians Schreibstil auch angenehm lesen lassen, allerdings teils etwas langweilig werden. Der Showdown ist unspektakulär und die interessanten Details werden in einem Rückblick nur schnell zusammengefasst. Es kommt einem fast so vor, als hätte die Autorin das Ende hinausgezögert, um dann am Ende aber die Lust zu verlieren.
Pippa, unsere Protagonistin, ist recht sympathisch und auch glaubwürdig, bis sie ihren Stiefbruder Niels trifft. Niels legt ein unheimlich merkwürdiges Verhalten an den Tag, das jede andere Person vermutlich dazu angeleitet hätte, diesem Menschen nicht zu vertrauen. Die Erklärung, wieso er sich so verhalten hat, kommt mir ein wenig an den Haaren herbei gezogen vor. Pippa, die ihren Stiefbruder kaum kennt, verliebt sich Hals über Kopf in den Jungen und verliert mit einem Male jegliche Vernunft und verhält sich sehr naiv. Die Nebencharaktere sind gut aufgebaut, verlieren aber leider gegen Ende auch ein wenig ihre Glaubwürdigkeit. Das gilt nicht für alle, aber ein paar meiner Meinung nach schon. Der eindeutig süßeste und tollste Charakter ist Pippas kleiner Bruder Mattheo, der dem Buch einige Pluspunkte einbringt.
Alles in allem ein Buch, das man gelesen haben kann, aber nicht muss. Trotz der Kritikpunkte liebe ich das märchenhafte Setting im Schloss und die Grundidee wirklich total. „Glimmernächte“ bekommt von mir 3 von 5 Sterne.
*Erschienen bei Arena Verlag*
Autorin / Autor: loveathletics - Stand: 16. August 2016