Ich sehe was, was du nicht siehst

Forschung: Manche sehen schneller als andere. Der Grund: sie können mehr "Bilder pro Sekunde" wahrnehmen

"Hast du das gesehen? Ne, was denn? Ach, schon weg..." Wenn Menschen nicht so schnell auf visuelle Reize reagieren, dann hat das meist nichts damit zu tun, dass sie weniger aufmerksam oder verpeilt sind, sondern dass wir offenbar unterschiedliche Wahrnehmungsgeschwindigkeiten haben. Das fanden kürzlich Forscher:innen des Trinity College Dublin heraus. Einige Menschen nehmen einen sich schnell verändernden visuellen Impuls mit einer Frequenz wahr, die andere nicht sehen können. Im Klartext heißt das: einige sind in der Lage, mehr visuelle Informationen pro Zeiteinheit abzurufen als andere. Damit haben manche Menschen einen angeborenen Vorteil in Situationen, in denen die Reaktionszeit von entscheidender Bedeutung ist, wie z. B. bei Ballsportarten oder bei Spielen, in denen es um Wettbewerb geht.

Die Geschwindigkeit, mit der wir die Welt wahrnehmen ist in vielerlei Hinsicht mit der Bildwiederholfrequenz eines Computermonitors vergleichbar. Die Forscher:innen fanden heraus, dass es zwischen den Menschen erhebliche Unterschiede in der Schnelligkeit der Wahrnehmung gibt: manche können tatsächlich mehr "Bilder pro Sekunde" sehen als andere.

Flackerts oder flackerts nicht?

Um dies zu erfassen, verwendeten die Wissenschaftler die sogenannte "Flackerfusionsschwelle", also die maximale Frequenz, mit der eine Person eine flackernde Lichtquelle wahrnehmen kann. Flackert die Lichtquelle oberhalb dieser Wahrnehmungsschwelle einer Person, kann diese nicht erkennen, dass sie flackert, sondern nimmt das Licht als gleichmäßig wahr. Einige Versuchsteilnehmer:innen gaben an, dass sie das Licht als völlig ruhig wahrnahmen, obwohl es in Wirklichkeit etwa 35 Mal pro Sekunde blinkte, während andere in der Lage waren, das Blinken mit einer Geschwindigkeit von über 60 Mal pro Sekunde wahrzunehmen.

Clinton Haarlem, Doktorand an der Fakultät für Naturwissenschaften: "Wir haben die zeitliche Auflösung bei denselben Teilnehmern mehrfach gemessen und festgestellt, dass es zwar erhebliche Unterschiede zwischen den Individuen gibt, bei Einzelnen ist sie aber im Laufe der Zeit recht stabil." Enzige Ausnahme dabei bilden Frauen: im Laufe der Zeit sind bei ihnen etwas mehr Schwankungen zu verzeichnen als bei Männern.

"Wir wissen noch nicht, wie sich diese Variation in der visuellen zeitlichen Auflösung auf unser tägliches Leben auswirkt, aber wir glauben, dass individuelle Unterschiede in der Wahrnehmungsgeschwindigkeit in Hochgeschwindigkeitssituationen sichtbar werden könnten, in denen man sich schnell bewegende Objekte lokalisieren oder verfolgen muss, wie z. B. bei Ballsportarten, oder in Situationen, in denen sich visuelle Szenen schnell ändern, wie z. B. bei wettbewerbsorientierten Spielen", fügte Clinton Haarlem hinzu.

Die Ergebnisse zeigten, dass manche Menschen einen Vorteil gegenüber anderen haben, bevor sie überhaupt einen Tennisschläger in die Hand genommen und einen Tennisball geschlagen oder einen Controller in die Hand genommen und sich in eine Online-Fantasiewelt gestürzt hätten, schreiben die Forscher:innen. Und Andrew Jackson, Professor für Zoologie an der School of Natural Sciences von Trinity, fügt hinzu: "Was ich an diesem Projekt wirklich interessant finde, ist die Tatsache, dass ein Zoologe, ein Genetiker und ein Psychologe alle unterschiedliche Blickwinkel auf diese Arbeit finden können. Für mich als Zoologe haben die Folgen von Variationen in der visuellen Wahrnehmung wahrscheinlich tiefgreifende Auswirkungen auf die Interaktion zwischen Raubtieren und Beutetieren".

Kevin Mitchell, außerordentlicher Professor für Entwicklungsneurobiologie an der School of Genetics and Microbiology des Trinity College und am Trinity College Institute of Neuroscience, sagte: "Da wir nur Zugang zu unserer eigenen subjektiven Erfahrung haben, könnten wir naiverweise davon ausgehen, dass alle anderen die Welt auf dieselbe Weise wahrnehmen wie wir. Beispiele wie Farbenblindheit zeigen, dass dies nicht immer der Fall ist, aber die Wahrnehmung kann auf sehr viel mehr verschiedene Art und Weise variieren. Diese Studie beschreibt einen solchen Unterschied - in der "Bildrate" unserer visuellen Systeme. Manche Menschen scheinen die Welt tatsächlich schneller zu sehen als andere."

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 5. April 2024