Innovationen brauchen Empathie

Studie: Das Unterrichten von Einfühlungsvermögen steigert auch kreative Lösungsansätze

Wenn es darum geht, kreative Lösungsansätze und technisch innovative Ideen zu entwickeln, wird im schulischen Kontext meist zuallerst das logische Denken gefördert. Eine Londoner Studie der University of Cambridge ergab jetzt, dass die Schulung des Einfühlungsvermögens in andere Menschen zu mindestens genauso guten, wenn nicht sogar besseren Kreativitätswerten und auch anderen Lernergebnissen führt.

Verglichen wurden zwei Schulen mit Schüler_innen zwischen 13 bis 14 Jahren. Während die Jugendlichen der einen Schule ein Jahr ganz "normalen" Unterricht laut Lehrplan hatten, wurde die andere Gruppe im Design- und Technologie-Unterricht mithilfe von von Design-Thinking-Tools darin gefördert, kreativ zu denken und Empathie zu entwickeln, um Probleme in der realen Welt lösen.

Beide Schüler_innen-Gruppen wurden zu Beginn und am Ende des Schuljahres mit dem "Torrance Test of Creative Thinking", auf ihre kreativen Fähigkeiten hin untersucht. Bei der Gruppe, die den neuartigen Unterricht genossen hatte, zeigte sich eine statistisch signifikante Zunahme der Kreativität, sie lag um 78 Prozent höher als bei der zweiten Gruppe - und das obwohl die Kreativitätswerte der Schüler_innen mit Standard-Unterricht anfangs um 11 % höher gelegen hatte.

*Empathie fördert Kreativität und Lernbegeisterung*
Laut den Studienautor_innen verbessert die Förderung von Empathie nicht nur die Kreativität, sondern auch die allgemeine Lernbegeisterung. Sie stellten fest, dass sich dabei auch geschlechterstereotype Verhaltensweisen auflösten: Jungen zeigten eine deutliche Verbesserung im emotionalen Ausdruck und erzielten in dieser Kategorie am Ende des Jahres 64% mehr Punkte als zu Beginn, während Mädchen sich mehr in Bezug auf kognitives Einfühlungsvermögen verbesserten und 62% mehr Perspektivenübernahme zeigten.

Die Untersuchung ist Teil einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen der Fakultät für Erziehungswissenschaften und dem Fachbereich Ingenieurwesen der Universität Cambridge mit dem Namen "Designing Our Tomorrow" (DOT). Hier werden Schüler_innen herausgefordert, reale Probleme zu lösen, indem sie über die Perspektiven und Gefühle anderer nachdenken.

Die Aufgabe der Schüler_innen bestand darin, ein Asthma-Behandlungsgerät für Kinder im Alter von sechs Jahren und jünger zu entwerfen. Dazu wurden ihnen verschiedene kreative und einfühlsame "Werkzeuge" an die Hand gegeben: So wurden ihnen zum Beispiel Daten über die Anzahl der Todesfälle durch Asthma bei Kindern in Großbritannien und ein Video gezeigt, das ein kleines Kind bei einem Anfall zeigt. Außerdem testeten sie ihre Design-Ideen in Rollenspielen mit verschiedenen Interessengruppen, zum Beispiel Patienten, Familienmitgliedern und medizinischem Personal.

Nicholl, der Lehrkräfte im Fach Design and Technologie ausbildet, sagte: "Das Lehren von Empathie ist problematisch, obwohl es seit über zwei Jahrzehnten Teil des nationalen Lehrplans für das Fach ist. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass es ein fehlendes Glied im kreativen Prozess ist und entscheidend, wenn wir wollen, dass die Ausbildung die Designer und Ingenieure von morgen fördert."

Dr. Helen Demetriou, Dozentin für Psychologie und Pädagogik, die auch an der Studie beteiligt war, fügte hinzu: "Wir haben eindeutig etwas in diesen Schülern geweckt, indem wir sie ermutigt haben, über die Gedanken und Gefühle anderer nachzudenken."

*Gute Noten sind nicht alles*
Zusätzlich zu den Torrance-Tests führten die Forscher_innen ausführliche Interviews mit den Schüler_innen sowohl an der Testschule als auch an einer dritten (reinen Mädchen-) Schule, die ebenfalls an der Asthma-Challenge teilnahm. Diese Rückmeldungen deuteten wiederum darauf hin, dass die Schüler sich tief in die Herausforderungen einfühlen konnten, mit denen junge Asthmakranke konfrontiert sind, und dass dies ihre kreativen Entscheidungen im Klassenzimmer beeinflusst hatte. Ein Junge erzählte den Forscher_innen: "Ich glaube, am Ende des Projekts konnte ich mich in die Menschen mit Asthma hineinversetzen ... wenn ich ein Kind wäre, das Inhalatoren braucht, hätte ich auch Angst."

Die Forschenden sind sich einig darin, dass man emotionale Intelligenz nicht nur im Design und Technik-Unterricht, sondern in allen Fächern fördern müsse. "Darüber müssen wir nachdenken, da die Lehrpläne im Allgemeinen zunehmend prüfungsbasiert werden", sagte Demetriou. "Gute Noten sind wichtig, aber für das Gedeihen der Gesellschaft sind auch kreative, kommunikative und empathische Individuen wichtig."

Nicholl fügte hinzu: "Als ich Design und Technologie unterrichtete, sah ich die Kinder nicht als potenzielle Ingenieure, die eines Tages zur Wirtschaft beitragen würden; sie waren Menschen, die bereit sein mussten, mit 18 in die Welt zu gehen. Wenn man Kindern Einfühlungsvermögen beibringt, geht es darum, eine Gesellschaft aufzubauen, in der wir die Perspektiven der anderen schätzen. Das ist sicherlich etwas, was wir mit Bildung erreichen wollen."

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 8. Februar 2021