Landkärtchen ist Insekt des Jahres 2023
Der Tagfalter verblüfft mit einem variablen Aussehen und gilt als Anzeiger für eine ökologisch intakte Kulturlandschaft
Die Sommergeneration des Landkärtchens ist überwiegend schwarz mit einem gebogenen weißen Band auf Vorder- und Hinterflügel. Foto: Senckenberg/Schmitt
Der Tagfalter wurde zum „Insekt des Jahres 2023“ gekürt. Das Landkärtchen (Araschnia levana) ist ein attraktiver Tagfalter mit einer verblüffenden Eigenschaft. Das besondere am Landkärtchen ist sein extremer „Saisondimorphismus“ – Falter, die sich im Frühjahr entwickeln, haben eine andere Farbe als Sommertiere der gleichen Art. Die Frühjahrsgeneration besitzt eine orangefarbene Grundfärbung mit schwarzen Zeichnungselementen. Die Tiere der Sommergeneration sind dagegen überwiegend schwarz mit einem gebogenen weißen Band auf Vorder- und Hinterflügel. Beiden Generationen gemein ist eine relativ bunte und von zahlreichen, unterschiedlich dicken Linien durchzogene Flügelunterseite. Diese erinnert an eine Landkarte, was der Art ihren deutschen Namen einbrachte.
Das Landkärtchen gilt außerdem als Anzeiger für eine ökologisch intakte Kulturlandschaft. Gekürt wurde der Schmetterling unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Thomas Schmitt, Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg, aus einer Reihe von Vorschlägen. Das Landkärtchen ist das 25. ‚Insekt des Jahres‘!
Es zeige wunderbar, dass auch bei weit verbreiteten und vermeintlich gut bekannten Insekten noch viel Forschungsbedarf bestehe, erläutert Prof. Dr. Thomas Schmitt die Wahl. Obwohl bekannt sei, was die Ausbildung der unterschiedlichen Farbmuster steuert, wisse man noch nicht, welchen Zweck diese wirklich haben.
Stellt die orange Form im Gegensatz zur Sommerform eine Warnfärbung dar? Oder genießt diese Form im Frühjahr auf dem blätterbedeckten Boden am Waldrand eine bessere Tarnung, während die schokoladenbraune Form bei sommerlichen Verhältnissen mit den dann stärkeren Lichtkontrasten besser vor Fressfeinden geschützt ist? Ein Experiment mit Blaumeisen zeigte, dass keine dieser Annahmen bestätigt werden kann. Der Müncheberger Schmetterlingsforscher ergänzt: „Während die physiologische Steuerung der Entwicklung des Landkärtchens schon recht gut untersucht ist, bleiben die evolutiven Gründe für diesen Saisondimorphismus noch ungelöst.“
Weil die Eier des Landkärtchens für ihre erfolgreiche Entwicklung eine hohe Luftfeuchtigkeit benötigen, hat die Landkärtchenpopulation besonders unter den ausgeprägten Hitze- und Trockensommer der vergangenen Jahre gelitten.
In gut strukturierten Landschaften mit Hecken, Gebüschen, blühenden Wiesen und naturnahen Wald- und Gewässerrändern können die Landkärtchen aber noch recht zahlreich sein. Auch entlang sonniger Waldwege mit einem breiten Saum an Blütenpflanzen trifft man die Falter noch häufig. „Das Landkärtchen ist ein Indikator für eine ökologisch intakte Kulturlandschaft, wie sie in Deutschland durch Intensivierung der Landwirtschaft, forstliche Monokulturen und die immer weiter zunehmenden Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen leider immer seltener wird“, schließt Agrarökologe Prof. Dr. Josef Settele, Vorsitzender der Gesellschaft für Schmetterlingsschutz .
Das Insekt des Jahres wird seit 1999 proklamiert. Ein Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler:innen und Vertreter:innen wissenschaftlicher Gesellschaften und Einrichtungen angehören, wählt jedes Jahr aus verschiedenen Vorschlägen aus.
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Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion; Foto: Senckenberg/Schmitt - Stand: 7. Dezember 2022