Interessiert mich (nicht) die Bohne
Wie viel von der Bohne landet eigentlich im Kaffee? Und was passiert mit den restlichen Teilen? In der Bachelorabschlussarbeit von Sina Reinartz gab es nur ein Thema: Die Kaffeebohne!
Die verschiedenen Stadien der Kaffeebohne (Bild: Sina Reinartz)
Sina Reinartz hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Überresten der Kaffeeproduktion, wie zum Beispiel dem Kaffeesatz, mehr Bewusstsein sowie Transparenz zu schenken. Ihr Ergebnis ist ein selbstentwickelter Kaffeefilter. Hier sind die Überreste der Kaffeeproduktion mit in dem Filter eingearbeitet. Somit steckt der Kaffee schon im Filter und es wird nur noch eine Tasse und heißes Wasser benötigt. Dadurch kann in der Kaffeebranche ein Kreislauf entstehen, in dem Überreste wiederverwendet werden.
In welchem Rahmen hast du dich mit der Kaffeebohne auseinandergesetzt?
Ich habe an der International School of Design der TH Köln Integrated Design studiert. Die KISD gibt dir die Möglichkeit, die Vielfalt und Komplexität von Design tiefgründig kennenzulernen und systematisch hervorzubringen. Während meines Studiums habe ich einzigartige projektorientierte Lern- und Forschungsgebiete kennengelernt. Meine Bachelorarbeit (Final Thesis) habe ich dieses Jahr in dem Fachbereich Ökologie und Design von Professorin Katrin Müller-Russo mit dem Titel "Interessiert mich (nicht) die Bohne" absolviert.
Die wertvolle Kaffeebohne legt Tausende von Meilen zurück, um schließlich in den Cafés, am Arbeitsplatz oder zu Hause zu landen. Oft nehmen wir eine Tasse Kaffee als selbstverständlich hin, ohne uns darüber bewusst zu sein, was hinter den Kulissen passiert und welche Produktionsschritte erforderlich sind. Die Plantagen und der Transport spielen eine entscheidende Rolle, aber auch der Abfall, der durch die massive Kaffeeindustrie entsteht, hinterlässt seine Spuren in der Umwelt. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit in allen Bereichen immer essenzieller wird und Ressourcen endlich sind, sei es im Design oder in der Papierindustrie, wollte ich meinen Beitrag leisten, den Kaffee-Nebenprodukten mehr Aufmerksamkeit sowie Transparenz zu schenken.
Papier aus der Kaffeebohne (Bild: Sina Reinartz)
Wie bist du auf das Thema gekommen? Warum die Kaffeebohne?
Mein persönliches Interesse sowie meine Motivation begannen bereits direkt nach meiner Schulzeit, als ich in der Gastronomie als Kellnerin arbeitete. Während meines Designstudiums an der KISD setzte ich meine Arbeit in einem Café fort. Kaffee ist für mich zum Wegbegleiter geworden, jedoch sind die Mengen an Resten, die dabei täglich entstehen unvorstellbar hoch und haben mich sehr zum Nachdenken angeregt. Wenn schon ein einziges Café so viel Abfall produziert, wie sieht es dann erst in einer größeren Kaffeemanufaktur oder in der gesamten Industrie aus? Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, in meiner Bachelorarbeit eine spannende Möglichkeit in Kooperation mit der Papiertechnischen Stiftung (PTS) in Heidenau zur Wiederverwertung von Kaffeesatz sowie Röstrückständen der Kaffeeproduktion zu entwickeln. Inzwischen arbeite ich nicht mehr als Servicekraft in einem Café, sondern als Teil einer lokalen Kaffeemanufaktur mit Rösterei in Köln.
Was ist das Problem mit der Kaffeebohne und dem Kaffeekreislauf?
Auf dem Weg von der Kaffeeplantage bis in unsere Tassen geht ein Großteil der kostbaren Kaffeebohnen verloren. Unglaubliche 99 % werden einfach verschwendet, während weniger als 1 % tatsächlich in der Tasse landen. Kaffee ist zweifellos das beliebteste Heißgetränk sowie Genussmittel der Deutschen. Die Nachfrage nach Kaffee steigt kontinuierlich und damit auch die Menge an Kaffeerückständen. Doch der Kaffeesatz ist nur ein Teil der Geschichte. Bereits während der Produktion hinterlassen die Kaffeebohnen ihre Spuren, wie das Silberhäutchen beim Rösten. Das Silberhäutchen ist wie eine Schutzhülle, die fest an den beiden Samen der Kaffeekirsche – den Kaffeebohnen – haftet. Statt diese wertvollen Ressourcen einfach wegzuwerfen, ist es höchste Zeit für eine Materialstudie, um neue Wege der Wiederverwertung zu finden.
Welches Produkt ist herausgekommen?
Der Schwerpunkt lag im Allgemeinen auf der Materialstudie. Dennoch ist aufgefallen, dass die Kaffeepapiere eine Vielfalt an Möglichkeiten bieten und eine Integration in einen Produktkreislauf auf verschiedene Ebenen möglich ist. Das Resultat ist ein selbstentwickelter Kaffeefilter (Filterpapier), bei dem die Rohstoffreste der Kaffeeproduktion in das Material integriert sind. Zusätzlich liegt dann der frisch vorportionierte Kaffee im Filter, sodass kaum noch Zusätze benötigt werden. Grundsätzlich wird nur der entwickelte Kaffeefilter benötigt sowie heißes Wasser und eine Tasse. Der Filter ist multifunktional und vereint viele Funktionen in einem einzigen Element wie bei einem Teebeutel. Theoretisch ist noch genug Kaffee in dem Filter für eine weitere Tasse vorhanden, dennoch lässt die Intensität und der Geschmack nach.
Der entstandene Kaffeefilter (Bild: Sina Reinartz)
Wo ist das Produkt einsetzbar?
Der Kaffeefilter ist nicht nur zuhause einsetzbar, sondern auch auf Reisen wie zum Beispiel beim Camping bietet das Produkt zusätzliche Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit. Auch weil durch die Integration des portionierten Kaffees im Filterpapier kaum noch Zusätze benötigt werden.
Ursprünglich ist der Filter für eine einzelne Kaffeetasse gedacht. Zukünftig wären weitere Größen denkbar, beispielsweise die Einführung von Filtergrößen wie Typ 1 für eine Tasse, Typ 2 für zwei Tassen oder bis hin zu Typ 4 für vier Tassen.
Wie bist du an die Herstellung herangegangen und wie hast du das Produkt am Ende hergestellt oder herstellen lassen?
Ich wurde bei meinen Versuchen von der Papiertechnischen Stiftung (PTS) unterstützt, so dass ich meine Ideen professionell umsetzen konnte. Es ist wichtig branchenübergreifend zusammen zu arbeiten, um Lösungen zu finden und neue Innovationen zu entwerfen. Design ist hierbei ein Bindeglied zwischen einzelnen Produkten bis hin zur Entwicklung von umfassenden Konzepten. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Disziplinen ist bereits ein Netzwerk entstanden. Die Vernetzung untereinander (Chemie, Biologie, Papiertechnologie, Mechanik, Rösterei, Barista, Servicekraft, Designer:in) ist äußert wichtig für Materialstudien, um das volle Potential des entdeckten Rohstoffes zu untersuchen.
Rebean (Bild: Sina Reinartz)
Ist das Produkt schon verkaufbar oder handelt es sich erstmal um einen Prototyp?
Die Kaffeepapierrollen sind fertig produziert und können bereits eingesetzt werden. Es ist eine spannende Zeit für mich und ich bin offen für neue Partnerschaften. Die Kaffeefilter sind jedoch Einzelstücke, die aktuell nicht zum Verkauf stehen.
Wie aufwändig und teuer ist die Herstellung?
In einer italienischen und aktuellen Studie (Overturf u. a. 2021) wurde eine Lebenszyklusanalyse (LCA) sowie eine Kostenanalyse durchgeführt, um die Silberhäutchen in der Papierproduktion im Vergleich zu herkömmlichen Materialien (hierbei handelt es sich um frischen Holzzellstoff) zu untersuchen sowie abzuschätzen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Verwendung von Silberhäutchen die Umweltauswirkungen der Papierproduktion um etwa 10 % sowie die Treibhausgasemissionen um die 13 % reduziert, ohne Kostenanstieg für die Produktion. Durch meine Arbeit und bereits durchgeführte Studien zeigt sich, dass sich die Kaffee-Nebenprodukte in der Industrie als kostenloser, konstanter und lokaler Rohstoff darstellen, die sich als Alternative zu konventionellen Rohstoffen gut eignen können.
Falls noch Abfälle übrigbleiben: Gibt es auch da schon Ansätze, um alles in den Kreislauf mit einzubinden?
Ein konkretes Beispiel betrifft den Kaffeesatz, der für seine Weiterverwertung entölt werden muss. Dadurch entsteht wertvolles Kaffeeöl als zusätzlicher Rohstoff, der wiederum verschiedene Anwendungsmöglichkeiten bietet. Ein erfolgreiches Unternehmen in London namens "Biobean" nutzt dieses gewonnene Kaffeeöl beispielsweise zur Herstellung von Biodiesel, was einen bedeutenden Beitrag zur nachhaltigen Energiegewinnung leistet.
Sina Reinartz mit ihrem Produkt (Bild: Sina Reinartz)
Wie geht es für dich und die Kaffeebohne jetzt weiter? Bleibst du weiter an dem Thema dran?
Derzeit arbeite ich mit im Team bei einer lokalen Kaffeemanufaktur in Köln. Durch meine Arbeit habe ich die Möglichkeit, einen direkten Einblick in den faszinierenden Kaffeemarkt zu gewinnen und aktiv dazu beizutragen, Transparenz und direkten Handel zu fördern. Mein Ziel ist es weiterhin, das volle Potenzial der Kaffee-Nebenprodukte als ungenutzten Rohstoff für verschiedene Bereiche zu untersuchen. Ich möchte die Gesellschaft und die Industrie sensibilisieren und ihnen verdeutlichen, dass Abfall ein wertvoller Rohstoff ist und nicht nutzloses Material, der als Ersatzfüllstoff behandelt werden sollte.
Quelle: Wie viel Prozent der Kaffeebohne landen in der Tasse?
Autorin / Autor: Redaktion / Sina Reinartz - Stand: 5. September 2023