Jedes zweite Mädchen findet sich zu dick
Studie: Schönheitsideale führen zu hoher Körperunzufriedenheit
Stehst du öfter vor dem Spiegel oder auf der Waage und könntest einen Heulkrampf kriegen, obwohl alle dir ständig sagen, dass sie dich eigentlich noch viel zu dünn finden? Dann gehörst du zu den 50 Prozent Jugendlichen, die unter einer gestörten Selbstwahrnehmung ihres Körpers leiden. Jedes zweite 15-jährige deutsche Mädchen und jeder dritte Junge in diesem Alter findet sich zu dick – selbst wenn sie objektiv gar nicht übergewichtig sind. „Damit sind die deutschen Jugendlichen traurige Spitzenreiter in Sachen Körperunzufriedenheit“, sagt Gesundheitswissenschaftlerin Professorin Dr. Petra Kolip von der Universität Bielefeld. Sie hat den deutschen Teil einer internationalen Studie zum Gesundheitsverhalten von Schulkindern geleitet. Der Vergleich der deutschen mit den internationalen Daten zeigt: Deutsche Mädchen und Jungen schätzen sich am häufigsten als zu dick ein. Allen Ländern gemeinsam ist, dass die Unzufriedenheit mit dem Körper mit dem Alter steigt. Durchschnittlich geben bei den 15-Jährigen 53 Prozent der Mädchen und 36 Prozent der Jungen an, sich zu dick zu finden.
In der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) wurden die Jugendlichen nicht nur zu ihrem Körperbild befragt, sondern auch zu Körpergewicht und Diätverhalten. „Auffällig ist, dass der Zusammenhang zwischen körperlicher Unzufriedenheit und dem tatsächlichen Körpergewicht stark verzerrt ist“, so Dr. Jens Bucksch, Geschäftsführer des WHO Collaborating Centres an der Universität Bielefeld. „Erstaunlich viele normalgewichtige deutsche 15-Jährige empfinden sich als zu dick: nämlich 50 Prozent der Mädchen und 30 Prozent der Jungen. Das gibt aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht Anlass zur Sorge.“ Oft führt diese Fehleinschätzung dazu, dass die Jugendlichen häufig Diäten machen, unzufrieden sind und eine erhöhte psychische Belastung tragen.
*Mädchen unzufriedener als Jungen*
Besonders auffällig ist, dass Jungen und Mädchen sich in allen Ländern sehr unterschiedlich wahrnehmen. „Dass sich mehr Mädchen als Jungen als zu dick beschreiben, lässt sich unter anderem damit erklären, dass sich Mädchen durch die körperlichen Veränderungen mehr vom gängigen Schlankheitsideal entfernen. Mit der Pubertät runden sich die Hüften, das macht manchen Mädchen zu schaffen. Jungen hingegen nähern sich dem Schönheitsideal an, aber auch sie sind vermehrt einem Körperkult ausgesetzt. Dass sich viele Jungen als zu dünn wahrnehmen, ist hier die Kehrseite der Medaille“, sagt Professorin Dr. Petra Kolip. Nur in einer kleinen Anzahl von Ländern, darunter auch Deutschland, besteht ein Zusammenhang zwischen Körperbild und familiären Wohlstand: Je höher der Wohlstand, desto zufriedener sind die Jugendlichen mit ihrem Körperäußeren.
*Unerreichbare Ideale*
Das Bielefelder Forschungsteam folgert aus den Daten, dass die Körperwahrnehmung stärker in Überlegungen zu Prävention und Gesundheitsförderung eingeschlossen werden müsse. Denn wer ein negatives Körperbild habe, sei schneller unzufrieden mit sich selbst und fühle sich unwohl. Das führe dazu, dass sich diese Jugendlichen ungesund ernähren und Essstörungen entwickeln. Nicht zuletzt die Medien verbreiteten ein unerreichbares Schlankheitsideal für Mädchen und ein athletisches und muskulöses Körperideal für Jungen. Den Forschern zufolge sollten insbesondere Eltern, Freunde, Lehrerinnen und Lehrer dafür sensibilisiert werden, dass ihre Reaktion auf die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen zu ihrer Zufriedenheit beitragen und in der Folge auch einen gesunden Lebensstil bewirken kann.
*Die Studie*
Der internationale Bericht zur Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) zur Befragung 2009/2010 ist unter dem Titel „Soziale Determinanten der Gesundheit und des Wohlbefindens junger Menschen“ erschienen. Laut dem Europa-Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation WHO wird damit das weltweit umfassendste Bild über die Gesundheit und das Wohlbefinden von jungen Menschen beschrieben. Insgesamt wurden mehr als 200.000 Kinder und junge Menschen befragt. In Deutschland wurde die HBSC-Studie bereits zum fünften Mal durchgeführt. Das WHO Collaborating Centre in Bielefeld ist der Fakultät für Gesundheitswissenschaft der Universität Bielefeld angegliedert. Die Durchführung der HBSC-Studie gehört zu den Hauptaufgaben des Centres.
Die Studie zum Gesundheitsverhalten von Schulkindern wurde unter Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation WHO in 39 Ländern und Regionen Europas und Nordamerikas durchgeführt. Ihre Ergebnisse sind Anfang Mai in Edinburgh, Großbritannien, vorgestellt worden.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 16. Mai 2012