Kein Sexist, nur ein Ekel?
Studie: Generelle Unfreundlichkeit kann dazu führen, dass Sexismus unerkannt bleibt
"Der ist doch kein Frauenfeind! Der ist doch zu allen gemein!" Es gibt so einige Männer, denen man ihre sexistischen Äußerungen und Handlungen fast schon verzeiht - wenn es denn überhaupt dazu kommt, dass diese als frauenfeindlich gesehen werden. Das ist nämlich oft dann der Fall, wenn sich solche Männer generell unfreundlich verhalten - auch gegenüber anderen Männern. Dr. Sora Jun, von der University of Texas und ihre Mitautor_innen haben jetzt dazu eine Studie veröffentlicht.
Die Idee dazu hatte das Forschungsteam bei einer Diskussion über Männer, "die mit sexistischen Äußerungen davonkommen", so Jun. "Uns wurde klar, dass diese oft einfach generell als unhöflich angesehen werden, weil sie auch zu Männern unfreundlich sind. Wir dachten, dass diese Zuschreibung von allgemeiner Unhöflichkeit es diesen Menschen ermöglicht, sexistisches Verhalten an den Tag zu legen, ohne dafür bestraft zu werden."
Die Forschenden führten von 2019 bis 2021 eine Reihe von fünf Studien durch, wobei sie Online-Umfrageplattformen verwendeten. Zunächst untersuchten sie in einer Pilotstudie, ob Männer sowohl sexistische Überzeugungen haben als auch unhöflich gegenüber Männern sein können. Bei einer zweiteiligen Umfrage unter 759 berufstätigen Männern sammelten sie Selbstauskünfte über Unhöflichkeit gegenüber weiblichen und männlichen Arbeitskollegen sowie über ihre Einstellungen und Überzeugungen gegenüber Frauen.
Beim Vortest kam heraus, dass Männer, die schlechter über Frauen dachten, auch angaben, unhöflicher, unflätiger oder rücksichtsloser gegenüber ihren männlichen und weiblichen Kolleg_innen zu sein.
Anschließend untersuchten die Forschenden, ob Unhöflichkeit gegenüber Männern geschlechtsspezifische Vorurteile verschleiert. Sie befragten fast 5000 männliche und weibliche Online-Teilnehmer und Studierende von Berufsschulen.
In einer Studie lasen die Teilnehmer_innen Tweets, die der ehemalige Präsident Donald Trump von Juli bis August 2019, also während seiner Amtszeit, geschrieben hatte. Alle lasen Tweets, die negative Kommentare gegenüber Frauen enthielten, und einige sahen zusätzlich Tweets, in denen Trump auch Männer beschimpfte. Anschließend wurden sie gefragt, ob sie Trump für sexistisch hielten, oder ob sie dachten, er mache keine Geschlechtsunterschiede. Das Ergebnis: Je mehr unhöfliche Tweets die Versuchspersonen gegenüber Männern gelesen hatten, desto eher dachten sie, dass er generell unfreundlich sei und nicht besonders sexistisch eingestellt.
In einer anderen Studie lasen die Teilnehmenden eine fiktive Geschichte über einen Manager, der eine sexistische Bemerkung gegenüber einer Praktikantin machte. Einige bekamen auch einen Teil der Geschichte zu lesen, in der der Manager auch männliche Praktikanten beschimpfte. Auch hier zeigte sich: Wenn der Vorgesetzte eine sexistische Bemerkung gegenüber einer Praktikantin machte und auch gegenüber männlichen Praktikanten unhöflich war, sahen die Teilnehmenden ihn als weniger sexistisch an.
Die Ergebnisse deuten laut den Forschenden darauf hin, dass generelle Unhöflichkeit das Erkennen von Sexismus verschleiert, indem sie den Eindruck erweckt, dass der sexistische Täter das Geschlecht im Umgang mit anderen Menschen nicht bemerkt oder beachtet.
Sexismus und Unfreundlichkeit sind zwei verschiedene Verhaltensformen
"Sexismus und Unhöflichkeit sind zwei unterschiedliche Konzepte", so Jun. "Unhöflichkeit wird als Verhalten definiert, das als unhöflich, unflätig oder rücksichtslos angesehen wird. Sexismus definiert Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen, die negative oder abwertende Stereotypen über Frauen widerspiegeln, fördern oder unterstützen. Nicht alle unhöflichen Verhaltensweisen sind sexistisch, denn nicht jede Unfreundlichkeit bedient negative Stereotypen über Frauen - z. B. das Nichtbeachten einer Kollegin auf dem Flur. Andererseits ist auch nicht jede sexistische Behandlung unhöflich."
Bei einer weit verbreiteten Form des Sexismus, dem so genannten wohlwollenden Sexismus, würden Frauen beispielsweise so behandelt, als ob sie geschätzt und geschützt werden sollten, so Jun. Wohlwollender Sexismus kann als höflich und zuvorkommend angesehen werden, aber er schadet der Gleichstellung der Geschlechter, weil er negative Stereotypen über Frauen fördert, wie z. B. dass sie schwach oder handlungsunfähig sind.
"Der erste Schritt zur Beseitigung von Sexismus am Arbeitsplatz besteht darin, ihn zu erkennen, wenn er auftritt", so Jun. "Wenn Beobachter nicht in der Lage sind, das Verhalten eines Mitarbeiters als sexistisch zu erkennen - weil diese Verhaltensweisen fälschlicherweise als allgemeine Unhöflichkeit abgetan werden -, werden diese problematischen sexistischen Verhaltensweisen wahrscheinlich weiterhin die Unternehmen plagen."
Die Studie deutet auch darauf hin, dass die Unhöflichkeit gegenüber Männern, hinter der sich sexistisches Verhalten verbirgt, Frauen in mehr als einer Hinsicht schadet, so Jun. Frauen müssten zunächst mit dem Sexismus umgehen, mit dem sie konfrontiert werden. Dazu komme, dass sie dann oft daran zweifeln, ob es tatsächlich Sexismus war, was ebenfalls psychologisch belastend sein kann. Und selbst wenn Frauen zu dem Schluss kämen, dass sie sexistisch behandelt wurden, könne es ihnen schwer fallen, andere davon zu überzeugen, dass Sexismus im Spiel ist.
Zukünftige Forschungen könnten zusätzlich noch untersuchen, ob sich hinter Unfreundlichkeit nicht auch noch andere Arten von Diskriminierung, wie z. B. Rassismus, verbergen können.
Die Studie wurde am 21. Februar online und in der März-Ausgabe der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 29. April 2022