Klebrige Voruteile

Internet-Studie zeigt, dass Bilder immer noch viel häufiger Gender-Stereotypen verbreiten als Texte

Wie heißt es so schön? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte... Laut Forschungsergebnissen stimmt das tatsächlich, denn das menschliche Gehirn nimmt Informationen aus Bildern besser auf als aus Text. Besonders in heutigen Zeiten nehmen wir mehr visuelle Inhalte denn je auf, wenn wir bildreiche Nachrichtenseiten und Social-Media-Plattformen durchstöbern. Doch der bequeme und unterhaltsame Zeitvertreib hat eine Kehrseite: viele dieser visuellen Inhalte verstärken laut einer neuen Forschungsarbeit der Berkeley Haas School an der University of California  veraltete Geschlechterstereotypen.

Durch eine Reihe von Experimenten, Beobachtungen und die Hilfe von großen Sprachmodellen fanden die Professor:inneen Douglas Guilbeault und Solène Delecourt heraus, dass weibliche und männliche Geschlechtsassoziationen bei Google-Bildern extremer sind als im Text von Google News. Mehr noch: Während viele Texte sich öfter auf Männer als auf Frauen konzentrieren, geschieht diese Hervorhebung bei Bildern sogar mehr als viermal so häufig.
"Die meisten früheren Untersuchungen über Vorurteile im Internet fokussierten sich auf Text, aber jetzt gibt es Google Bilder, TikTok, YouTube, Instagram", so Delecourt. "Unsere Forschung deutet darauf hin, dass das Ausmaß der Klischees im Internet viel weiter verbreitet ist als bisher angenommen."
Die Studie zeigt nicht nur, dass geschlechtsspezifische Vorurteile im Internet häufiger in Bildern als in Texten vorkommen, sondern dass sie in visueller Form psychologisch sogar wirksamer sind. Auffallend ist, dass Studienteilnehmende, die sich geschlechtsspezifische Bilder ansahen - im Gegensatz zu denen, die geschlechtsspezifische Texte lasen -, noch drei Tage später deutlich stärkere Vorurteile zeigten. Da Online-Welten immer visueller werden, sei es wichtig, die übergroße Macht von Bildern zu verstehen, so Guilbeault, Hauptautor der Studie. "Wir erkannten, dass dies Auswirkungen auf Vorurteile hat - und niemand hatte diesen Zusammenhang zuvor nachgewiesen. Bilder sind ein besonders klebriges Mittel, um Stereotypen zu vermitteln."

Vorurteile und ihre Auswirkungen

Um die geschlechtsspezifische Voreingenommenheit in Online-Bildern zu untersuchen, taten sich Guilbeault und Delecourt mit einem Softwareunternehmen sowie weiteren Universitäten zusammen und entwickelten verschiedene neuartige Techniken, um Klischees in Bildern mit denen in Texten zu vergleichen und die psychologischen Auswirkungen zu untersuchen.
Zunächst zogen die Forscher:innen 3.495 soziale Kategorien - darunter Berufe wie "Arzt" und "Zimmermann" sowie soziale Rollen wie "Freund" und "Nachbar" - aus Wordnet, einer großen Datenbank mit verwandten Wörtern und Konzepten.
Um das Geschlechterverhältnis innerhalb jeder Bildkategorie zu berechnen, suchten die Wisenschaftler:innen die hundert besten Google-Bilder zu jeder Kategorie heraus und baten Personen, jedes menschliche Gesicht nach Geschlecht zu klassifizieren.
Zusätzlich maßen sie das Geschlechterverhältnis in Online-Texten, insbesondere Google News-Texten. Das Ergebnis: die Assoziationen mit dem Geschlecht in den Bildern waren extremer als im Text, und es gab auch viel mehr Bilder, die Männer in den Fokus stellten.

Klebrige Bilder

In der experimentellen Phase der Studie sollte untersucht werden, welche Auswirkungen Vorurteile in Online-Bildern auf Internetnutzende haben. 450 Teilnehmer:innen wurden gebeten, über Google nach treffenden Beschreibungen von Berufen in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Kunst zu suchen. Eine Gruppe nutzte Google News, um Textbeschreibungen zu finden und hochzuladen; eine andere Gruppe nutzte Google Images, um Bilder von Berufen zu finden und hochzuladen. (Eine Kontrollgruppe erhielt die gleiche Aufgabe mit neutralen Kategorien wie "Apfel" und "Gitarre").
Nachdem sie ihre text- oder bildbasierten Beschreibungen ausgewählt hatten, bewerteten die Teilnehmer:innen, welches Geschlecht sie am meisten mit dem jeweiligen Beruf assoziierten. Anschließend absolvierten sie einen Test, bei dem sie verschiedene Wörter schnell in Geschlechterkategorien einordnen sollten. Der Test wurde nach drei Tagen erneut durchgeführt.
Das Ergebnis: die Teilnehmer:innen der "Bilderfraktion" wiesen im Vergleich zu jenen, die mit Texten gearbeitet hatten (oder der Kontrollgruppe) deutlich stärkere genderstereotype Vorstellungen auf - auch noch drei Tage später. Es gebe offenbar etwas sehr Klebriges, sehr Starkes an der Darstellung von Menschen in Bildern, das in Texten einfach nicht vorhanden sei, vermutet Guilbeault.

Türöffner für neue Forschung

Delecourt und Guilbeault hoffen, dass ihre Ergebnisse zu einer ernsthafteren Auseinandersetzung mit den Problemen führen, die sich aus der Vorurteilen in Online-Bildern ergeben. Es sei relativ einfach, Text so zu verändern, dass sie so neutral wie möglich seien, Bilder von Menschen vermittelten dagegen von Natur aus ethnische, Geschlechts- und andere demografische Informationen.
Guilbeault merkt an, dass andere Untersuchungen gezeigt haben, dass geschlechtsspezifische Vorurteile in Online-Texten abgenommen haben, aber die vorliegende Studie zeigt blinde Flecken auf. "Bei Bildern sehen wir immer noch eine weit verbreitete geschlechtsspezifische Voreingenommenheit", sagte er. Vermutlich liege es daran, dass bei den Bemühungen, Vorurteile abzubauen, die Bildsprache vergessen worden sei; oder es sei einfach schwieriger, dies in Bildern zu tun.
Guilbeault und Delecourt arbeiten bereits an einem anderen Projekt in dieser Richtung, in dem sie die geschlechts- und altersbedingte Vorurteile im Internet mit vielen der gleichen Techniken untersuchen. "Ein Grund, warum diese Arbeit so spannend ist, ist, dass sie die Tür für viele andere Arten von Forschung öffnet - zu Alter oder Ethnie oder zu anderen Medien, wie zum Beispiel Video", so Delecourt.

Für uns User:innen zeigt die Studie, dass wir uns von den Bilderfluten nicht zu stark beeinflussen lassen sollten, sondern immer auf der Hut sein sollten vor dummen Klischees und veralteten Geschlechterrollen!

Zeit für neue Bilder! Macht mit bei

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteiliung - Stand: 18. März 2024