Kleider machen Leute

Ein Kommentar von Caroline Kuba

Bild: Caroline Kuba, https://www.instagram.com/ckuba/

Man existiert und konsumiert. Man genießt. Man gönnt sich etwas, weil das Leben hart ist, und man das ja sonst nicht tut. Weil man studiert, die Miete teuer ist, man die letzte Prüfung verhaut, und die nächste bestanden hat.

Man kennt die Geschichten von einstürzenden Gebäuden und abstürzenden Menschen, von Kindern mit Nähmaschinen, Frauen ohne Rechten und eventuell hält man das Rana Plaza doch nicht nur für eine neue Pizza Bude auf der Mariahilferstraße.

Doch im Angesicht von niedrigen Preisen und niedlichen Rüschen beginnen Moral und Bedeutung schnell zu schimmeln wie altes Brot.

Fast Fashion ist das Junkfood der Mode. Schnell. Einfach. Unkompliziert.
Die Indoktrination verfolgt einen vom morgendlichen Blick auf das Smartphone bis zum Werbescreen hinter der Kasse.

Denn ein T-Shirt ist kein T-Shirt. Ein T-Shirt ist ein Versprechen:
Status und Anerkennung, ein erfüllendes Sozialleben und bewundernde Blicke. Eine schmalere Taille, einen größeren Po. Ein neues Du. Und ein Haufen Likes. Alles für nur 9,99 Euro.

Es ist zu einfach um Nein zu sagen. Kein Investment ist nötig, keine Debatte, ob die Jeans die Miete gefährden könnte und kein Gedanke darüber, dass die Rechnung des Wickelkleids, das weniger kostet als ein Bahnticket, vielleicht doch nicht ganz aufgehen kann.

Was außen vor bleibt, hinten auf der Speisekarte steht, klein gedruckt und ausgeblichen, sind Landkarten und Namenslisten, die nur zu leicht und zu gerne überlesen werden.

Durchschnittlich 20.000 Kilometer legt ein T-Shirt von seiner Produktionsstätte, irgendwo in einer schäbigen Fabrik in Kambodscha oder Bangladesch, mit Netzen unter den Fenstern, um nicht zu schnell zu viele der schlecht bezahlten Arbeitskräfte zu verlieren, bis in die heimischen H&Ms zurück.

Die dazu passende Jeans, deren Produktion alleine 7000 Liter Wasser verbraucht, wobei nur ca. 50% länger als drei Jahre in einem deutschen Otto-Normal-Schrank überleben (vgl. Greenpeace-Flyer in den Links).

Es ist eine janusköpfige Situation, da es gerade für Frauen in den betroffenen Gebieten kaum andere Arbeitsmöglichkeiten gibt, die nicht das Verlassen des eigenen Landes und der Familie als Konsequenz haben, sie durch das Bleiben allerdings für umgerechnet 18 Cent pro T-Shirt schlimmsten Arbeitsbedingungen täglich physischer und psychischer Gewalt ausgeliefert sind.

Was man dagegen tun kann, ist einerseits das Unterstützen von Hilfsorganisationen, andererseits, und für viele eine leichter zugängliche Variante, das Reflektieren und Revidieren des eigenen Konsumverhaltens.

Ein bewährter erster Schritt ist der Boykott von Marken, die nicht nachhaltig und unter menschenunwürdigen Verhältnissen produzieren.
Dabei sind vergleichsmäßig teure Investments bei weitem keine Notwendigkeit, um sowohl nachhaltig zu konsumieren, als auch die kaum zu ertragende Peinlichkeit, zweimal hintereinander das selbe Outfit in der digitalen Öffentlichkeit tragen zu müssen, zu umgehen.

Von Flohmärkten & Second-Hand-Boutiquen bis hin zu Tausch-Treffs im Freundeskreis und dem Upcyceln von bereits im Kleiderschrank vertretenen Teilen, stehen dem stilbewussten Menschen von heute unzählige Möglichkeiten zur Verfügung, ihre:seine Kreativität mit einem stetig rotierenden Kleiderschrank auszuleben, ohne dabei eine Industrie zu füttern, die jährlich Milliarden von ungetragenen und später verbrannten Kleidungsstücken produzieren bzw. ohne für 35 Prozent des im Meer vorkommenden Mikroplastik und für die doppelte Menge an Co2-Ausstoß im Vergleich zu Flug- und Schriftverkehr verantwortlich zu sein.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral, aber vielleicht ist es Zeit für eine Diät.

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Autorin / Autor: Bild und Text von Caroline Kuba - Stand: 22. April 2022