Klettern
Autor: Keith Gray
Übersetzt von Julia Süßbrich
„Reichweite“ haben jene Kletterer, die die Bäume im Park mit höchstem Geschick und Schnelligkeit so weit wie möglich besteigen. Eine Gruppe Jugendlicher um Protagonist Hilly verbringt damit die Freizeit in ihrem Dorf. Der neue Junge Nottingham bringt ihre Routine durcheinander. Hilly fühlt sein Ego bedroht. Bald kommt es zum Kletterwettkampf. Dabei ahnen wir schnell, dass Hilly eigentlich anderes zu lernen hat, als die beste Route zur Baumspitze zu finden. Er muss bescheidener werden, die Lebensplanung seiner Freunde akzeptieren und sich überlegen, wo er sich selbst in der Zukunft sieht. So gibt die Geschichte mehrere wertvolle Denkanstöße, die zwischen der Haupthandlung aufscheinen. Es gibt auch Einblicke in tiefgreifende Probleme der Jugendlichen: von Armut bis Gewalt in der Familie. Leider kann die kurze Geschichte diesen schweren Themen nicht gerecht werden. Wir müssen uns mit kleinen Hinweisen begnügen. Die 6 Teile des Buches sind nach den einzelnen Bäumen im Park benannt. Nebenbei erfährt man Kleinigkeiten über die Eigenschaften der Baumarten. Das ist eine schöne Idee. Ich hätte mir gewünscht, dass den Bäumen selbst noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden wäre.
Das Motiv auf dem Titel zeigt bereits die Faszination für die großen und ungewöhnlichen Bäume, um die sich die Freizeit der Jugendlichen im Dorf dreht. Mit hohen Kontrasten und leuchtenden Farbtupfen präsentiert die Illustration einen mächtigen und einschüchternden Baum. Er steht nicht nur für die Herausforderung im Kletterwettbewerb. Er steht auch sinngemäß für die Aufgabe, als junger Mensch seine Werte festzulegen, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und seinen Platz im Freundeskreis zu finden.
Mir hat das relativ kleine (ca 13x20cm) und schmale Format gefallen, das sehr bequem in der Hand liegt. Das Buch ist fest gebunden. Es gibt keinen losen Papierumschlag, der abrutschen oder einreißen könnte. Da mir beim Bücherkauf nicht nur der Inhalt, sondern auch die Ästhetik und Haptik wichtig sind, möchte ich das positiv betonen.
Das Buch richtet sich an Menschen ab 13 Jahren. Es ist im Programm „super lesbar“ erschienen. Wem Lesen schwerfällt, der soll an dieser Geschichte ohne große Schwierigkeiten Freude finden. Dafür sorgen kurze Sätze, Flattersatz und eine klare Trennung der Absätze durch Leerzeilen. So kann man sich in kleinen Schritten von einem Teil der Geschichte zum nächsten vortasten. Außerdem sind die Kapitel ziemlich kurz: zwischen 2 und 10 Seiten. Der Text ist alltagssprachlich. Es gibt keine komplizierten Fremdwörter oder dergleichen. Die Handlung ist klar konzipiert. Man kann der Geschichte sehr leicht folgen. Wer normalerweise komplexe Literatur liest, sollte sich vor der Lektüre darauf einstellen.
Aus meiner Sicht ist das Buch tatsächlich primär für Jugendliche geeignet, weil alle Protagonisten Jugendliche um die 15 Jahre sind und sich mit den für dieses Alter typischen Problematiken auseinandersetzen. Wer selbst gerne klettert oder bei Bäumen spielt, wird die Geschichte wegen ihrer interessanten „pflanzlichen Helden“ mögen. Darüber hinaus macht die Botschaft zwischen den Zeilen die Lektüre wertvoll. Sie gibt moralische Orientierung: Es kommt im Leben gewöhnlich nicht darauf an, als erster die größte Herausforderung allein zu meistern. Die größte „Reichweite“ hat am Ende, wer seine Freunde mit Achtung und Respekt behandelt und ihnen hilft, voranzukommen.
Erschienen bei Gulliver
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Autorin / Autor: Christina Weigel - Stand: 6. August 2024